Topics in January (Reading against Anti-Semitism, Harry Oberländer)
On our Reading »Never Again is now« in Hamburg

NDR Kultur, Journal, Gespräch von Katja Weise mit Katharina Hagena, 16. Januar 2024: »Eigentlich war es auch vom PEN Berlin initiiert. Wir Hamburger Mitglieder des PEN Berlin haben gesagt: ›Wir sind die zweitgrößte Stadt – es kann ja wohl nicht sein, dass wir so eine Veranstaltung nicht hinbekommen.‹ Daraufhin haben wir angefangen, uns die Leute zusammenzusuchen. Was uns von den anderen beiden Lesungen unterschiedet, ist, dass wir den Anspruch oder den Wunsch hatten, mit dem Jüdischen Salon am Grindel zusammenzuarbeiten, nicht nur über das jüdische Leben oder das Jüdischsein zu sprechen, sondern auch mit jüdischen Menschen im Gespräch zu bleiben. Darüber sind wir besonders glücklich.« LINK und AUDIO
Hamburger Abendblatt, Bericht von Stefan Hentz, 17. Januar 2024: »›Nie wieder ist jetzt!‹ Schon im Titel ihrer in Kooperation mit der Staats- und Universitätsbibliothek Carl von Ossietzky veranstalteten Kollektivlesung von ›Texten gegen Antisemitismus‹ setzt die noch junge Schriftsteller-Vereinigung PEN Berlin einen starken Ton. Entsprechend ist die Resonanz: der Lichthof restlos gefüllt, die Spannung hoch. (…) In dieser Situation, so umreißt die Hamburger Autorin Simone Buchholz in ihren kurzen Einführungsworten die Absicht der veranstaltenden Literat/-innen, wollen sie den jüdischen Menschen ›zeigen, dass wir da sind und dass wir neben ihnen stehen‹.« LINK [€]
NDR Kultur, Journal, Bericht von Peter Helling, 17. Januar 2024: [Besucher:] »Besonders eindrucksvoll fand ich den Text von Jakob Wassermann. Dieses Vergeblich. Fand ich bitter. Da denke ich: Das kann’s aber doch nicht sein, ich bin Lehrer an dieser Schule, da denk’ ich: Nee, das darf doch nicht so stehen bleiben.« (…) [Carsten Brosda:] »Wir stehen zusammen, wir sind zusammen, wir können eine Einheit bilden. Wir erinnern uns: ›Nie wieder‹ meint jetzt und meint immer.« AUDIO
On the passing of Harry Oberländer

Frankfurter Rundschau, Nachruf von Judith von Sternburg, 8. Januar 2024: »›Poesie ist eine Erkenntnismethode‹, sagte Harry Oberländer vor Jahren der FR und lebte danach und zugleich ohne Bitterkeit damit, dass er sich von seiner Lyrik nicht ernähren konnte. Stattdessen mischte er munter – und eine Menschenscheu, die ihm nach eigenem Bekunden mitgegeben war, fein und erfolgreich überspielend – im Frankfurter Literaturbetrieb mit. Als Herausgeber der Zeitschrift L. Der Literaturbote, als Journalist, Reiseautor und schließlich als Rezensent des Kulturportals Faustkultur. Gelegentlich als Übersetzer, häufig als Herausgeber. Vor allem und maßgeblich aber als Mitarbeiter und langjähriger Leiter des Hessischen Literaturforums im Mousonturm, dessen Mitinitiator er war. 1985 gründete er mit Paulus Böhmer den damals noch als ›Hessisches Literaturbüro e.V.‹ firmierenden Verein, von 2010 bis 2016 stand er ihm als Nachfolger von Böhmer und Werner Söllner vor.« LINK
Faust-Kultur, Nachruf von Björn Jager, 8. Januar 2024: »Harry, scheint mir, lebte mit und in ihnen, sein Zugriff auf Literatur war somit vielleicht radikaler, bedingungsloser. Ich habe nie einen Menschen kennengelernt, der belesener war, und zwar über Genre- und Landesgrenzen hinaus. Romane, Gedichte, historische Abhandlungen, Literatur- und Gesellschaftstheorie. (…) Sein Textwissen war ein Haus, in dem er lebte, in dem er sich traumwandlerisch zu bewegen wusste, wenn er mal wieder auf der Suche war nach einem Bezug, einem Thema, einem Zitat.« LINK
Frankfurter Allgemeine, Nachruf von Florian Balke, 8. Januar 2024: »Der See, heißt es in Harry Oberländers Gedicht ›Sichtweisen‹, liege ›aufgeschlagen‹ – wie ein Buch. Von Büchern und Landschaften hielt der Lyriker und ehemalige Leiter des Hessischen Literaturforums viel, vom genauen Hinschauen und Beschreiben ebenso. ›Von morgen zu mittag bis abend / blättert das licht die kapitel auf‹, lauten die folgenden Verse. Dann der vierte und letzte: ›ungelesen bleiben die nachtseiten‹. (…) Auf Facebook lasen Freunde und Bekannte, was ihm auffiel. ›Bad Karlshafen am Meer‹ stand am 22. Dezember unter einem Foto der Hochwasser führenden Weser. ›Es wird heller und der Pegel sinkt‹ hieß es am zweiten Weihnachtstag. Am Sonntagabend wurde bekannt, dass Harry Oberländer in Bad Karlshafen gestorben ist. Vieles bleibt nun ungelesen.« LINK
Hessische/Niedersächsische Allgemeine, Nachruf von Bernd Schünemann, 16. Januar 2024: »Er lernte Josef Fischer (…) und Daniel Cohn-Bendit kennen. Gemeinsam mit Fischer arbeitete er am Fließband im Opel-Werk in Rüsselsheim und gemeinsam versuchten sie, die Arbeiter für ihre linken Ideen zu begeistern. In Frankfurt eröffnete er mit Fischer ein Antiquariat in der Karl-Marx-Buchhandlung. Dann wandte er sich der Literatur zu. 1973 wurde Oberländer mit dem Leonce-und-Lena-Preis für Lyrik ausgezeichnet. (…) In Bad Karlshafen war früh die Begeisterung des jungen Oberländers für Literatur aufgefallen. Er las Bücher von Karl May und gründete einen Mickey-Mouse-Club – als Comics noch als Schande für junge Menschen galten. Nach Bad Karlshafen kehrte Oberländer nach seiner Pensionierung zurück.« LINK
Journal Frankfurt, Nachruf von Christoph Schröder, 8. Januar 2024: »Und er schrieb schon damals Gedichte, und das in einer Zeit, wie er es einmal formulierte, ›in der man dafür selbst von Germanisten gefragt wurde, was dieser Scheiß denn jetzt soll.‹ In einem Umfeld, in dem es keine schöne Literatur mehr geben sollte, sondern nur noch Gebrauchstexte, waren Gedichte, so erinnerte sich Oberländer, ›Anlass für Hohn und Spott.‹ Was ihn nicht daran hinderte, damit weiterzumachen. Im Jahr 1973 bereits wurde Oberländer mit dem Leonce-und-Lena-Preis der Stadt Darmstadt ausgezeichnet, noch heute einer der wichtigsten Preise für Nachwuchslyriker deutscher Sprache. Und er hat immer weiter gemacht. Zuletzt erschien 2015 sein Gedichtband ›chronos crumlov‹ in der Edition Faust; ein wunderbarer Zyklus von Werken, in dem Oberländer Geschichte, Gegenwart und Geografie des Ortes Cesky Krumlov, zu Deutsch: Böhmisch Krumau, umkreist.« LINK
VS in Verdi, Nachruf vom Vorstand des VS Hessen, 15. Januar 2024: »Harry Oberländer hat stets für die materiellen und künstlerischen Interessen der Schriftsteller*innen gekämpft. (…) Er war aber auch langjähriges Mitglied des VS Hessen und von 2018 bis 2022 dessen Vorsitzender. (…) Vor einigen Jahren zog er aus Frankfurt in sein Elternhaus nach Bad Karlshafen, er liebte Spaziergänge, die Natur und das Fotografieren (siehe seinen persönlichen Facebook- Account!). Er zog sich aber nicht ins Private zurück. Harry besuchte und moderierte weiterhin Veranstaltungen, war auf der Buchmesse aktiv, wurde 2022 Gründungsmitglied des PEN Berlin. Wir vermissen seinen Zuspruch, seine loyalen und präzisen Auskünfte, seinen Kompass im literaturpolitischen Dschungel. Wir vermissen den Menschen Harry Oberländer.« LINK