[Interviews, namentlich gezeichnete Beiträge oder offene Briefe, die einzelne Boardmitglieder unterzeichnet haben, geben nicht notwendig die Ansichten des gesamten Boards des PEN Berlin wieder.]
November 2024: Thea Dorn, Kongress, Antisemitismus-Resolution, Autoren im Knast
Zum Internationalen Tag des inhaftierten Schriftstellers
WDR 3, Resonanzen, Gespräch von Jörg Biesler mit Sophie Sumburane, 15. November 2024: »Das die Kernaufgabe der PEN-Zentren und auch von uns, dem PEN Berlin, die wir mit Leidenschaft tun und die man in der Öffentlichkeit wenig sieht: Die erste Stipendiatin, die wir als PEN Berlin nach Deutschland holen konten, war Meral Simsek, eine kurdisch-türkische Autorin, die in ihrer Heimat Schreckliches erlebt hat und im Gefängnis saß und die jetzt mit ihren Kindern in Deutschland leben kann. Das sind Erfolge, die uns sehr viel Kraft geben, weiterzumachen, auch wenn uns an vielen Ecken Strukturen und Geld fehlen. (…) Oder aktuell eine Autorin, die lange in Istanbul im Untergrund gelebt hat, konnten wir auch nach Deutschland holen. Diese Menschen können jetzt hoffentlich in Sicherheit ihrer Arbeit nachgehen.« LINK und AUDIO
Zur Antisemitismus-Resolution des Bundestages
Welt, Kommentar von Deniz Yücel, 11. November 2024: »Ignoriert hat man schließlich jene, auf die man sich beruft: Der Bundestag will auf Grundlage der sogenannten IHRA-Definition Antisemitismus in Wissenschaft und Kultur bekämpfen, weigert sich aber zur Kenntnis zu nehmen, dass ihr maßgeblicher Verfasser Kenneth Stern betont, dass diese Definition zwar den israelbezogenen Antisemitismus einschließe, aber nicht dafür geeignet sei, sie zur Grundlage für Verwaltungsentscheidungen zu machen. Moralischer Rigorismus aus dem Bilderbuch, intellektuell dürftig, aber schwer empört. Nur dass auch liberale Stimmen, die sonst vor einer Inflationierung und Sinnentleerung von Begriffen wie ›rechtsextrem‹ oder ›rassistisch‹ warnen, hier von eben diesem Rigorismus nicht genug kriegen können. Vermutlich wird das erstbeste Verwaltungsgericht die auf Grundlage dieser Resolution getroffenen Maßnahmen einkassieren – absehbar wie das vorläufige Urteil zum Verbot des rechtsextremen Magazins Compact, aber nur ein schwacher Trost. Denn klagen kann man nur gegen Verwaltungsentscheidungen. Ausstellungen, Lesungen, Konzerte, Preisverleihungen etc., die aus Furcht vor Sanktionen erst gar nicht angesetzt werden, können nicht durchgefochten werden.« LINK
Zum PEN-Berlin-Kongress »So kommen wir weiter« und zur Wahl von Thea Dorn
Süddeutsche Zeitung, Festrede von Etgar Keret, übersetzte, gekürzte und leicht redigierte Fassung, 15. November 2024: »Seit Beginn des Krieges denke ich immer öfter darüber nach, was meine Eltern mich gelehrt haben. Am 7. Oktober 2023 dachte ich als Erstes daran, dass ich als Kind meinen Vater mit der Naivität eines Sechsjährigen fragte, ob der Holocaust die schlimmste Zeit in seinem Leben gewesen sei. Keine sehr taktvolle Frage. Mein Vater, der alle Fragen, die ich ihm stellte, sehr ernst nahm, dachte einen Moment lang nach und sagte dann: ›So wie ich das sehe, gibt es keine schlechten und guten Zeiten. Es gibt nur schwierige und einfache Zeiten.‹ Er wurde kurz still und sagte: ›Ich muss sagen, dass ich mein ganzes Leben lang versucht habe, die schwierigen Zeiten zu vermeiden. Aber im Nachhinein betrachtet waren das die Zeiten, in denen ich am meisten über mich selbst gelernt habe.‹ Seit dem 7. Oktober denke ich immer wieder daran, weil es der Situation angemessen zu sein scheint. Weil es einem etwas abverlangt, zum Handeln auffordert.« LINK [€]
NDR Kultur, Der Sonntag, Bericht von Jonas Kühlberg, 3. November 2024: »So war der PEN Berlin-Kongress noch einmal von der nun scheidenden Sprecherin Eva Menasse geprägt, die sich nach zweieinhalb Jahren nicht noch einmal zur Wahl stellte und in ihrer Eröffnungsrede eine erste Bilanz zog. [Menasse:] ›Weil es diesen Verein gibt, leben heute unter anderem die türkisch-kurdische Lyrikerin und Romanautorin Meral Şimşek, der afghanische Journalist Nassir Nadeem und der marokanische Journalist Imad Stitou in Sicherheit in Deutschland.‹ Man sei zu einem kulturpolitischen Player geworden, so Menasse, über den noch nicht einmal drei Jahre alten Verein. in [Menasse:] ›Eben das zu schaffen, was wir uns vorgenommen haben, nämlich eine lebendige, vitale und kontroverse Autorinnen- und Autorenvereinigung in Deutschland zu gründen, die die nötigen politischen Diskussionen führt und die sich auch nicht scheut, in bestimmte Wespennester zu stoßen.‹ Man könnte auch sagen: mächtig Staub aufwirbeln. So wie die Gesprächsreihe ›Das wird man doch noch sagen dürfen‹, als PEN Berlin anlässlich der diesjährigen Landtagswahlen auf Tour zu den Menschen durch den Osten zog, die einige vor Ort als ›Sternstunde der Debattenkultur‹ bezeichneten. [Menasse:] ›(…) Wenn es gelingt, dass die Leute rausgehen und sagen: Gut, dass das hier stattgefunden hat‘, dann bin ich schon zufrieden. Und das haben wir in einem ganz großen Maßstab erreicht.‹« LINK und AUDIO
DLF Kultur, Lesart, Bericht von Stephanie von Oppen, 4. November 2024: »Hochkarätige Gäste hatte der PEN Berlin für diesen Nachmittag eingeladen. (…) Dass der PEN Berlin jedwede Boykotte ablehnt und die Meinungsfreiheit konsequent hochhält, betonte die scheidende Sprecherin Eva Menasse in ihrer Eröffnungs- und Abschiedsrede. Nachdem den PEN Berlin soeben wieder eine Anfrage erreicht habe, sich an einem sehr vage formulierten Boykottaufruf gegen Israel zu beteiligen, sei es ihr wichtig, nochmals zu betonen. [Menasse:] ‹Dieser neue Boykottaufruf, der sich blind und unscharf gegen israelische Kulturinstitutionen richtet, bietet mir allerdings die Gelegenheit, mit dem Ende meiner Amtszeit als Sprecherin dieses großartigen neuen Vereins noch einmal ein paar Grundsätze festzuhalten, an die ich mit aller Kraft glaube. Dazu gehört eben, dass Kulturboykott immer falsch ist, zu jeder Zeit, in jeder Richtung, aus allen Gründen.‹« LINK und AUDIO
Süddeutsche Zeitung: »Das auffordernde Motto des Kongresses, ›So kommen wir weiter‹, nahm am Ende der Festredner noch einmal auf, der israelische Autor Etgar Keret, über den sich im Vorfeld trotz der unversöhnlichen Debatten zum Krieg in Nahost niemand aufgeregt hatte – im Gegensatz zur letztjährigen Rednerin A. L. Kennedy. (…) Keret vollbrachte das unglaubliche Kunststück, über das ›Weiterkommen‹ in Israel nach dem 7. Oktober eine Stehgreifrede zu halten, in der er die verzweifelte Lage zwischen Schock, Verteidigungsbereitschaft und Ablehnung der Gewaltmittel und der Regierung, die sie einsetzt, mit klugem Witz reflektierte. (…) Keret vollbrachte das unglaubliche Kunststück, über das ›Weiterkommen‹ in Israel nach dem 7. Oktober eine Stehgreifrede zu halten, in der er die verzweifelte Lage zwischen Schock, Verteidigungsbereitschaft und Ablehnung der Gewaltmittel und der Regierung, die sie einsetzt, mit klugem Witz reflektierte.« LINK [€]
Freitag, Bericht von Katharina Schmitz, 6. November 2024: »Weiter auf diesem eng getakteten Kongress, das Motto heißt schließlich: ›So kommen wir weiter‹. Am schwierigsten sei es, hatte Menasse die Eröffnungsrede beschlossen, sich gegen die eigene Gruppe zu stellen. Wie schwierig das ist, merkt man in der ersten Veranstaltung, in der es um die innere Zensur beim Schreiben geht. In der Schweiz musste der Schriftsteller Alain Claude Sulzer für eine Literaturförderung beantworten, warum er in seinem Manuskript das Wort ›Zigeuner‹ verwendet. Was seinerzeit – in der Schweiz – ein großer Skandal war, wird auf dem Podium zu einem Missverständnis, das geklärt werden konnte. Man hätte gern mitdiskutiert.« LINK [€]
Zur Frankfurter Buchmesse
3Sat, Kulturzeit, Gespräch von Nil Varol mit Eva Menasse, 18. Oktober 2024: »Wir haben mit einer Gruppe italienischer Autorinnen und Autoren, die den offenen Brief initiiert haben im Juni eine Art Zusatzprogramm zum Gastlandauftritt organisiert. Und dann haben die italienischen Autorinnen und Autoren untereinander gesagt: Dann soll Saviano auch bei uns auftreten. (…) Saviano hat es gerade auf der Bühne gesagt: Er hat schon das Gefühl gehabt eine Zeitlang, dass ihn seine Schriftstellerkollegen als ein bisschen unangenehm empfinden, so quasi: ›Muss er immer so starke Worte verwenden?‹ ›Ist er nicht auch ein bisschen selber schuld?‹ Das Ganze können Sie genau so nachlesen in der Autobiographie von Salman Rushdie, ›Joseph Anton‹. Da beschreibt er, wie die Kollegen abrücken und der eine dann einsam wird – und zugleich zu einem warnende Beispiel für die anderen.«
Frankfurter Allgemeine, Kommentar von Karen Krüger, 13. Oktober 2024: »Namhafte Autoren wie Paolo Giordano, Francesco Piccolo, Antonio Scurati sagten aus Solidarität ihre Teilnahme an der offiziellen Delegation ab. 41 Schriftsteller veröffentlichten einen offenen Brief, der Zensur und die systematische Besetzung von Entscheidungspositionen im Kultursektor nach politischer Treue anprangerte. Für einen Moment sah es so aus, als drohe ein totaler Boykott. Und nun werden doch die meisten nach Frankfurt reisen, Saviano auf Einladung seines deutschen Verlags Hanser und des ZDF. Es wird neben der offiziellen Delegation also noch eine zweite geben. Sie wird Italiens Auftritt guttun. Man wird sie nicht im italienischen Pavillon, aber etwa auf der Bühne des PEN Berlin erleben. Mit Diskussionsrunden, die zusammen mit Teilnehmern der offiziellen Delegation bestritten werden: Italiens Autoren zeigen Geschlossenheit.« LINK
Süddeutsche Zeitung, Bericht von Carolin Gasteiger, 14. Oktober 2024: »In ihrem offenen Brief hatten die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner außerdem kritisiert, dass zu wenig internationaler Austausch im Programm vorgesehen sei. Dem wurde entsprochen: Als Alternativprogramm zu dem der offiziellen Delegation haben der PEN Berlin und einige Briefunterzeichner Veranstaltungen unter den Titel ›Das andere Italien‹ gestellt. Saviano etwa ist dort gleich zweimal zu Gast: Einmal wird er mit Deniz Yücel, Co-Sprecher des PEN Berlin, über ›Schreiben in illiberalen Zeiten‹ reden, dann mit der Journalistin Birgit Schönau besprechen, ob Demokratien Helden brauchen. Savianos jüngster Roman handelt von Giovanni Falcone, Italiens berühmtem Anti-Mafia-Kämpfer.« LINK
Süddeutsche Zeitung, Kommentar von Felix Stephan, 14. Oktober 2024: »Wer sich mit den regierenden Rechten anlegt, bekommt Schwierigkeiten, selbst als einer der renommiertesten Autoren des Landes. (…) Das mögen auf den ersten Blick kleinere Vorfälle sein, aber die Geschichte von Ländern, die in den Autoritarismus gerutscht sind, hat oft genug gezeigt, wozu diese Politik der Nadelstiche dient: Beim ersten Mal hat die Öffentlichkeit vielleicht noch die Kraft, eine kraftvolle Gegenreaktion zu organisieren, beim zweiten Mal auch noch. Aber schon beim dritten Mal könnte es aussehen wie jetzt auf der Frankfurter Buchmesse: Man kann den Ärger nicht schon wieder gebrauchen, der Protest fällt aus.« LINK
The Guardian, Bericht von Philip Oltermann, 14. Oktober 2024: »Giordano, Scurati and Francesca Melandri will speak on a concurrent panel organised by PEN Berlin called ›Rooted in the Present‹, while Saviano will speak on stage on Friday and Saturday. The anti-mafia author was sued in 2023 for calling Meloni ›a bastard‹ over her immigration policies and subsequently fined €1,000. ›Roberto Saviano is the most famous Italian writer in the world,‹ the Austrian author and PEN Berlin spokesperson, Eva Menasse, said. ›By not inviting him to the Frankfurt book fair the Italian government has only managed to put a brighter spotlight on its illiberal practices.‹.« LINK
dpa, Bericht von Sandra Trauner, 16. Oktober 2024, übernommen u.a. vom Tagesspiegel: »Auf der Buchmesse haben prominente Schriftsteller aus dem diesjährigen Gastland Italien die Rechtsregierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hart kritisiert. ›Die politische Macht unterdrückt die Stimmen, die sie nicht hören wollen‹, sagte Francesa Melandri (›Kalte Füße‹) auf Einladung von PEN Berlin bei einer Diskussion auf der Buchmesse, die sich bewusst als Gegenveranstaltung zum offiziellen Auftritt des Ehrengastauftritts verstand.« LINK
Tagesschau.de, Bericht von Sophia Averesch, 16. Oktober 2024: »Auf die anfängliche Bestürzung sei der Wunsch gefolgt, ›eine Art Gegenprogramm zum offiziellen Ehrengast-Auftritt aufzustellen‹, erklärte Giordano. ›Wir sind praktisch wie Abtrünnige auf der Buchmesse‹, sagte er am Mittwoch. Gemeinsam mit der Schriftstellervereinigung PEN Berlin e.V., die von Autorin Eva Menasse und dem Journalisten Deniz Yücel geleitet wird, organisierten Giordano und weitere Autoren mehrere Veranstaltungen, die die Lage der Kultur, Meinungs- ubd Kunstfreiheit in Italien thematisieren. Für Themen, die italienischen Autor und Autorinnen unter den Nägeln brennen und die möglicherweise nicht ganz vom offiziellen Gastland-Auftritt abgedeckt werden‹, moderierte Autorin Menasse von PEN Berlin die Veranstaltung an.« LINK
Frankfurter Allgemeine, Bericht von Eva-Maria Magel, 16. Oktober 2024: »Während der Ehrengast-Pavillon unter dem Motto ›Wurzeln in der Zukunft‹ mit einem Lob der Schönheit eröffnet, lädt der PEN Berlin zur Diskussion über die ›Wurzeln in der Gegenwart‹ ein. (…) ›Ich bin nicht hier, um schlecht über die Regierung zu reden. Aber ich lade ein, sich mit der italienischen Kultur der Gegenwart zu beschäftigen‹, sagt Scurati, dessen vierter Band der Mussolini-Romanbiographie ›M.‹ soeben auf Deutsch erschienen ist. Ein Umdeuten der Geschichte, zumal des Faschismus, beobachtet er nicht nur in Italien, sondern in vielen Ländern, die rechte, autoritäre Regierungen haben. Er selbst hat wegen einer abgesagten Rede auf den italienischen Befreiungstag Verleumdung, Hass und Bedrohungen erlebt. (…) Währenddessen plaudern im Ehrengast-Programm Giordano Bruno Guerri, der Direktor des Vittoriale, der megalomanen Wohnstatt Gabriele d’Annunzios am Gardasee, die bei Rechten höchst beliebt ist, und der Autor Giuseppe Culicchia vor schütterem Publikum über ›Il Piacere‹ (1889), einen frühen dekadenten Roman d’Annunzios. Die Wurzeln der Zukunft muss man da lange suchen.« LINK [€]
Rheinpfalz, Bericht von Markus Clauer, 17. Oktober 2024: »Wenn man so will, erscheint Italien auf der Messe zweimal. Offiziell wie am Dienstagabend bei der Eröffnung, bei der Italiens formal parteiloser Kulturminister Alessandro Giuli mit backenwärts ausufernden Koteletten, Taschenuhrband und feinem Dreiteiler die ›reziproke Faszinationsgeschichte‹ zwischen Deutschland und Italien aufruft und den verhinderten deutschen Nationaldichter Botho Strauß zitiert. Und alternativ dazu das Italien des regierungskritischen Autors Antonio Scurati, der bei einer vom PEN-Berlin veranstalteten Diskussion unter dem zum offiziellen quer stehenden Gegenmotto ›Verwurzelt in der Gegenwart‹ von Repressionen berichtet.« LINK
Welt, Kommentar von Thomas Schmid, 17. Oktober 2024: »Das Gastland Italien ist mit zahlreichen prominenten und nicht so prominenten Autorinnen und Autoren vertreten. Die meisten von ihnen sind mehr oder minder scharfe Kritiker der rechtsnationalen Regierung von Giorgia Meloni. Und sie betonen meist, dass sie nicht zur offiziellen italienischen Delegation gehören, die von der Regierung zusammengestellt worden ist. Gekommen sind sie auf Einladung ihrer deutschen Verlage. Der PEN Berlin lässt sie auf zahlreichen Panels auftreten, und auch sonst werden sie ihr Land auf der Buchmesse gut sichtbar repräsentieren. (…) Der Protest gegen die italienische Regierung hat etwas Weinerliches. Italiens Kulturbetrieb sollte doch Manns und Fraus genug sein, sich gegen die kleinkarierten Gängelungsversuche rechter Kulturfunktionäre zu behaupten.« LINK
Frankfurter Allgemeine, Bericht von Florian Balke, 18. Oktober 2024: »Die italienische Regierung wollte ihn nicht auf der Frankfurter Buchmesse haben, jetzt ist er trotzdem da, am Stand des PEN Berlin in Halle 3.1, auf Einladung der Schriftstellervereinigung und seines deutschen Verlags Hanser. Schon eine halbe Stunde vor Roberto Savianos Auftritt drängen sich die Zuschauer vor dem für diesen Anlass viel zu kleinen Stand, für den sich die Schriftstellerin Eva Menasse entschuldigt.« LINK
La Republica, Bericht von Raffaella De Santis, 18. Oktober 2024: »›Non ci prenderete mai, nessuno ci prenderà mai.‹ Piaceranno di sicuro anche a Roberto Saviano queste parole di Alessandro Baricco. Parole pronunciate dentro la stessa Buchmesse in padiglioni diversi, allo stesso orario. Ieri la fiera del libro è stata tutta per loro: Saviano al Pen Berlin, Baricco nel padiglione italiano.« LINK [€]
Frankfurter Allgemeine, Bericht von Karen Krüger u.a., 19. Oktober 2024: »Eigentlich hatte Paolo Giordano nicht nach Frankfurt kommen wollen. Aber wer die Messe boykottiert, kann dort nicht reden, und bestimmte Dinge, davon sind viele italienische Schriftsteller überzeugt, müssen dringend auf großer Bühne ausgesprochen werden. Vor allem der PEN Berlin hat sie ihnen bereitet – und deshalb kam Paolo Giordano am Ende doch und schilderte, wie in Italien die Rechte Druck auf die Kulturwelt ausübt. Im Gespräch mit der Schriftstellerin und PEN-Sprecherin Eva Menasse stellte er noch mal klar, dass es ihm und seinen Mitstreitern also nicht nur um Solidarität mit Roberto Saviano gehe. Dessen Nichteinladung in die offizielle Buchmessen-Delegation sowie die Verachtung, die ihm von der Regierung entgegengebracht wird, sei nur Ausdruck einer besorgniserregenden Entwicklung, die mit Giorgia Melonis Amtsantritt ihren Anfang genommen habe.« LINK
dpa, Bericht von Oscar Fuchs, übernommen u.a. von der Süddeutschen Zeitung, 19. Oktober 2024: »Der italienische Autor Roberto Saviano (›Falcone‹) hat auf der Frankfurter Buchmesse Einschränkungen der Meinungsfreiheit in Italien beklagt. ›Für mich ist es wie eine Rache (›Vendetta‹), hier zu sein‹, sagte Saviano. (…) Der 45-Jährige sagte auch: ›Du bist Dissident, wenn deine politische Position dazu führt, dass du Probleme hast, dass deine Familie Probleme hat, dass du finanzielle Schwierigkeiten hast.“ Dies passiere in einer Demokratie eigentlich nicht. ›In Italien ist es für einige von uns jetzt schon so.‹ Saviano zog auf der Buchmesse viele Besucher an. Er sprach bei einem Panel von PEN Berlin zum Thema ›Schreiben in illiberalen Zeiten‹.« LINK
La Republica, Bericht von Raffaella De Santis, 19. Oktober 2024: »Non si potrebbe dire meglio: ›I politici italiani spesso non conoscono l’editoria, sono incompetenti, ignoranti, nel senso che non sanno. Le istituzioni, anche quando vorrebbero sostenere il settore, non conoscono la materia.‹ Nicola Lagioia parla senza peli sulla lingua alla Fiera del libro di Francoforte nello stand del PEN Berlin di fronte a un pubblico internazionale.« LINK [€]
La Stampa, Beitrag von Vincenzo Latronico, 19. Oktober 2024: »Lo scrittore invitato dal PEN Berlin interviene alla Buchmesse nonostante l’esclusione. Baricco: ›Non ci prenderete mai.‹« LINK [€]
nd.Der Tag, Bericht von Christof Meueler, 20. Oktober 2024: »Trotzdem war Saviano der Star der Messe. Schon im Vorfeld hatten sich 40 italienische Autoren und Autorinnen mit ihm in einem offenen Brief solidarisiert, den der Drehbuchautor und Schriftsteller Paolo Giordano initiiert hatte. (…) Einige der Unterzeichner, wie Giordano, der Mussolini-Biograf Antonio Scurati oder Francesca Melandri (…) weigerten sich, als Teil der offiziellen Delegation ihres Landes nach Frankfurt zu reisen und ließen sich von ihren deutschen Verlagen einladen. Andere wie Helena Janeczek, deutsch-italienische Tochter von Holocaust-Überlebenden, oder der Schriftsteller und George-Orwell-Übersetzer Vincenzo Latronico blieben Teil der Delegation, traten aber im Rahmen eines alternativen Italien-Programms auf, das, meist moderiert von der Journalistin Birgit Schönau, der PEN Berlin organisiert hatte, um die Angriffe auf die Meinungsfreiheit unter Meloni zu diskutieren (der andere deutsche PEN war mal wieder nicht zu bemerken).« LINK
Süddeutsche Zeitung, Bericht von Kathleen Hildebrand u.a., 20. Oktober 2024: »Wo er hinkam, gab es kein Durchkommen mehr. Italienischsprachige Familien, Studenten, ältere Leserinnen und Leser, alle wollten Roberto Saviano, den Bestsellerautor und lautesten Kritiker der Meloni-Regierung sehen. Manche sollen am Freitag zwei Stunden auf ihn gewartet haben, hat er selbst in den sozialen Medien erzählt. Als er am Samstag beim PEN Berlin sprach – der Verband hatte ein eigenes Programm gegen das der offiziellen Delegation des Buchmessegastlands Italien gestellt, die Saviano zunächst dezidiert nicht einlud –, wurden seine Worte über Lautsprecher nach draußen übertragen. Die waren deutlich.« LINK
taz, Bericht von Julia Hubernagel, 20. Oktober 2024: »Roberto Saviano etwa, der nicht Teil der offiziellen Italien-Delegation war, spricht am Stand des Schriftstellerverbands PEN Berlin. Der seit Jahren zur organisierten Wirtschaftskriminalität recherchierende Journalist und Autor kritisiert die aktuelle rechte Regierung und betont die historisch bestehenden Verbindungen zwischen Neofaschismus und Mafia. (…) Man kann Saviano kaum sehen, so viele Zuschauer:innen sind zu seinem Auftritt gekommen, hören allerdings auch schlecht. Direkt gegenüber dem Stand des PEN Berlin gibt eine meditative Stimme in Dauerschleife Tipps zum ›Achtsam morden‹.« LINK
Welt, Bericht von Marc Reichwein, 20. Oktober 2024: »Freitagnachmittag in Halle 3.1. Eine Menschenmenge drängt sich rund um den Messe-Stand der Autorenvereinigung PEN Berlin und möchte Roberto Saviano – begleitet von mehreren Personenschützern – sehen. (…) Zum Schluss der Veranstaltung sagt Saviano einen finsteren Satz: „Unsere italienische Gegenwart ist auch eure Zukunft in Deutschland. Die deutschen Medien am rechten Rand werden von den italienischen Medien lernen.“ Nach der Veranstaltung kann sich Saviano kaum fortbewegen. Wie ein Dissident wird er von Fans umringt, um Statements, Fotos und Autogramme gebeten.« LINK
Frankfurter Rundschau, Bericht von Florian Leclerc, 20. Oktober 2024: »Die Diskussion mit Roberto Saviano und Deniz Yücel erregt großes Interesse. Auf der Frankfurter Buchmesse wird der italienische Autor mit stehendem Applaus geehrt. (…) Die Meloni-Regierung schaffe Bedingungen, bei denen es bequem sei, mit ihnen zusammenzuarbeiten, und sehr unbequem, gegen sie zu arbeiten, sagte Saviano. ›In Italien werde ich wie ein Dissident behandelt.‹ Deniz Yücel sagte daraufhin, der Vorwurf der Nestbeschmutzung sei an den Haaren herbeigezogen. ›Du bist, im besten Sinne des Wortes, ein Patriot.‹ Saviano versicherte, er bleibe in Italien, obwohl sich dort so viel negativ verändere.« LINK
Börsenblatt, Bericht von Sabine Cronau, 21. Oktober 2024: »Mit Roberto Saviano und Deniz Yücel standen am Messe-Samstag zwei Autoren auf der Messe-Bühne des Pavilions, die für ihre Arbeit harte persönliche Konsequenzen in Kauf nehmen. (…) Kritische Intellektuelle, so Saviano, würden in Italien von den Medien der extremen Rechten gezielt diffamiert, es gebe Drohungen, sogar Schlägertrupps. (…) Er wolle die Entwicklung nicht mit denen Zuständen in anderen Ländern wie der Türkei vergleichen, wo Repression und Verfolgung zum Alltag vieler Schriftsteller gehören würden, so Saviano. ›Aber ich will den Deutschen sagen: „Achtung, das kann auch bei Euch passieren, wenn Populisten jedweder Couleur an die Macht kommen.‹« LINK
Corriere della Sera, Interview von Cristina Taglietti, mit Roberto Saviano, 22. Oktober 2024: »La Germania guarda l’Italia come un laboratorio sinistro: un Paese con istituzioni fragili, con una burocrazia lenta e corrotta, con una affermazione precaria dei diritti, un certo tipo di giornalismo soggetto al ricatto della politica. Quindi come anticipatrice di tutte le contraddizioni e i pericoli della democrazia. La maggior parte degli scrittori italiani invitati hanno raccontato questa trasformazione in democratura. E se tutte le istituzioni che mi hanno invitato – il Pen, il Premio per la Pace assegnato ad Anne Applebaum, la Buchmesse, le televisioni – hanno cercato di capirlo, cos’altro deve accadere perché ce ne rendiamo conto noi»?‹« LINK
[Auswahl aus italienischen Medienbeiträgen]
Nachklapp zur Gesprächsreihe »Das wird man ja wohl noch sagen dürfen«
KNA, Interview von Joachim Heinz mit Kristof Magnusson, übernommen u.a. von der Evangelischen Zeitung, 7. Oktober 2024: [KNA:] »Allein das Gezerre innerhalb der Schriftstellervereinigung PEN, die schließlich zur Gründung des PEN Berlin führte, mutet auf außenstehende Beobachter mitunter doch etwas befremdlich an.« – [Magnusson:] »Als eines der Gründungsmitglieder des PEN Berlin muss ich widersprechen. Ich bin regelmäßig zu den Versammlungen des alten PEN gefahren. Einige Autorinnen und Autoren haben das Bedürfnis gehabt, die Arbeit von innen her zu verändern. Aber irgendwann war ein Punkt erreicht, wo das nicht mehr ging. Der PEN Berlin ist aber gerade ein Beispiel dafür, was Kultur bewegen kann. Vor den Landtagswahlen im Osten haben wir rund 40 Veranstaltungen abgehalten, um den Dialog zwischen Publikum und Kulturschaffenden zu fördern. Viele Teilnehmer haben hinterher berichtet, dass sie es sehr positiv fanden, einfach mal ein normales Gespräch führen zu können, ohne dass jemand mit Abbruch oder einer Sprengung der Veranstaltung gedroht hätte.« LINK
Neue Zürcher Zeitung, Gastbeitrag von Ralf Schuler, 7. Oktober 2024 »Kürzlich sass ich auf Einladung des PEN Berlin mit dem FAZ-Kollegen Patrick Bahners auf einem Podium, Thema: Meinungsfreiheit in Deutschland. (…) Ich versuchte zu erklären, wie in Medien, Politik und Öffentlichkeit ein Konformitätsdruck dazu führt, dass laut einer Umfrage lediglich 40 Prozent der Befragten angeben, ihre politische Meinung frei äussern zu können. Meine Beispiele von Jobverlust, Ausladungen, gesellschaftlicher Isolierung überzeugten den Kollegen Bahners nicht. Das sei alles nur ›anekdotische Evidenz‹, sagte er. Es gebe die vom Grundgesetz garantierte Meinungsfreiheit, wer etwas anderes behaupte, ertrage schlicht den in einer freien Gesellschaft normalen Widerspruch nicht. Spannend fand ich an dieser Argumentation etwas anderes. Im Kern lautet die Botschaft: Die Mehrheit irrt.« LINK
Frankfurter Rundschau, Kolumne von Harry Nutt, 22. Oktober 2024: »Gottschalk, so ging aus den Sendungsresten hervor, hatte wortreich eine Tendenz beklagt, nicht mehr alles sagen zu dürfen. Diese Beobachtung hat er keineswegs exklusiv. In verschiedenen Umfragen haben große Teile der Befragten bekannt, in der Öffentlichkeit eher skrupulös mit dem umzugehen, was ihnen so durch den Kopf geht. Und eine dem Wort verpflichtete Schriftstellervereinigung wie der PEN Berlin organisierte im Vorfeld der Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg eine Gesprächsreihe mit insgesamt 37 Veranstaltungen unter dem Titel: ›Das wird man ja wohl noch sagen dürfen‹. Ist also etwas dran an der Wahrnehmung von der eingeschränkten Redefreiheit?« LINK