Pressemitteilung vom 2. Oktober 2025
Zur Ausladung von Susanne Dagen: Entweder nicht einladen oder aushalten, aber nicht ausladen

Fünf Anmerkungen zur Ausladung von Susanne Dagen, Buchhändlerin, Verlegerin und kulturpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion im Dresdner Stadtrat vom »Denkfest« in Landau.
1. In den USA lässt sich derzeit beobachten, was die lautstarke Forderung von Rechtspopulisten nach Meinungsfreiheit wert ist: keinen Cent. Dasselbe gilt für die AfD. Sie plakatiert zwar »Zeit für freie Meinung«. Doch viele Einlassungen ihres führenden Personals bis hin zu zahllosen Anträgen ihrer kommunalen Fraktionen lassen keinen Zweifel daran, dass Frau Dagens Partei, wenn sie die Gelegenheit dazu bekäme, alles und jeden canceln würde, der nicht in ihre Streichholzschachtelwelt passt.
2. Es gibt nachvollziehbare Argumente, eine direkte Auseinandersetzung mit vorgeblich freiheitlich gesinnten Geistern, die in Wahrheit Feinde der Freiheit sind, abzulehnen. (Nicht: »Ihnen keine Bühne zu bieten« – sie haben längst ihre eigenen.) Es gibt ebenso nachvollziehbare Argumente dafür, diese Strategie für gescheitert zu halten und nach anderen Wegen zu suchen. Das muss jeder Kulturveranstalter für sich entscheiden.
3. Eine Stimme einzuladen, die einigermaßen zurecht behaupten kann, 30 Prozent der Wähler:innen zu repräsentieren, ist legitim; erst recht zu einem Event, das mit öffentlichen Mitteln gefördert wird. Ebenso legitim ist es, im eigenen Namen oder im Namen der übrigen 70 Prozent dagegen zu protestieren. Meinungskampf in der offenen pluralistischen Gesellschaft ist kein wohltemperierter Disput zwischen C4-Professor:innen. Er kann – im bildlichen, nicht im wörtlichen Sinn – zuweilen die Gestalt eines Handgemenges annehmen. Indiskutabel aber sind Gewaltdrohungen – egal von wem, egal gegen wen. Kein noch so nobles Anliegen rechtfertigt Gewalt oder ihre Androhung gegen eine Diskussionsveranstaltung.
4. Niemand muss Susanne Dagen einladen. Aber wenn ein Veranstalter sich dazu entschließt – im Fall des Mannheimer »Denkfest« zusammen mit Hamed Abdel-Samad, Meron Mendel, Susan Neiman und vielen anderen – dann darf man erwarten, dass er zu dieser Einladung steht. Vergangene Woche hieß es in der Presseerklärung des PEN Berlin zur Ausladung von Michel Friedman in Klütz: »Veranstalter tragen die Verantwortung für die Sicherheit ihrer Gäste und Zuschauer. Wenn es begründete Sicherheitsbedenken wegen eines Gasts oder Themas gibt, muss man diese ernst nehmen. Dann ist es allerdings Aufgabe des Staats, die Sicherheit aller zu gewährleisten. Die Sorge vor (möglichen) Störungen gleich von welcher Seite kann niemals ein Argument sein, eine Veranstaltung abzusagen.« All das gilt immer, auch in diesem Fall.
5. Wie viel das oft bemühte Wort vom »Aushalten« wert ist, zeigt sich, wenn es wirklich etwas auszuhalten gilt. Wer – um es bei den jüngsten Fällen zu belassen – die Ausladung von Michel Friedman in Klütz, Chefket aus dem Berliner Haus der Kulturen der Welt oder eben von Susanne Dagen in Mannheim mit unterschiedlichen Maßstäben misst, wird unglaubwürdig. Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit gelten nicht nur dann, wenn es einem in den Kram passt, sondern auch dann, wenn es einem nicht in den Kram passt. Gerade dann.
PEN Berlin. Wir stehen im Wort.