PM PEN Berlin: Lahav Shani und das Recht, sich nicht zu äußern

Pressemitteilung vom 11. September 2025

Lahav Shani ausgeladen: Das Recht, sich nicht zu äußern

Lahav Shani
Lahav Shani. Foto: Münchner Philharmoniker/Tobias Hase

PEN Berlin kritisiert die Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani vom Flanders Festival Ghent – insbesondere die Begründung, Lahav Shani habe nicht »für nötige Klarheit über seine Haltung gegenüber dem genozidalen Regime in Tel Aviv« gesorgt.

Ob es sich bei diesem Vorgang wirklich, wie Kulturstaatsminister Wolfram Weimer sagt, um einen Fall von »blankem Antisemitismus« handelt, sei dahingestellt. Zweifellos skandalös ist jedoch, dass die Verantwortlichen des Flanders Festival Ghent der Ansicht sind, der Chefdirigent des Israel Philharmonic Orchestra und künftige Chefdirigent der Münchner Philharmoniker müsse erst einmal beantworten, wie er es mit der Politik der Regierung Benjamin Netanjahus halte, bevor er bei ihnen Schubert, Beethoven und Wagner (!) dirigieren dürfe.

Meinungsfreiheit ist nicht nur das Recht, sich frei und ohne Furcht vor Repressalien zu äußern; sie beinhaltet auch das Recht, sich nicht äußern zu müssen. Bekenntniszwang ist ein Merkmal autoritärer und erst recht totalitärer Regime. Künstler:innen Bekenntnisse abzuverlangen, verstößt gegen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, wie es das Prinzip der Trennung von Kunst und Künstler:innen missachtet. In diesem Sinne ist die Ausladung von Lahav Shani tatsächlich, wie Wolfram Weimer meint, ein »Angriff auf die Grundlagen unserer Kultur«.

Leider ist es ein Angriff von der Sorte, wie er auch in Deutschland, insbesondere seit dem Angriff der Hamas auf Israel, alltäglich geworden ist. Und so manche derer, die sich nun zu Recht über die Ausladung von Lahav Shani empören, waren an anderer Stelle schnell dabei, das Canceln von Künstler:innen zu fordern, weil sich diese »nicht mit der nötigen Klarheit« von der Hamas distanziert hätten – oder weil diese scharfe Kritik an der israelischen Regierung üben. Allerdings begann diese falsche Politisierung der Kunst, die sich wenig für Kunst, aber umso mehr für die politischen Ansichten der Künstler:innen interessiert, nicht erst am 7. Oktober 2023. Derselbe Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter, der nun erklärt, er könne die Entscheidung des Veranstalters, Lahav Shani auszuladen, »in keiner Weise nachvollziehen«, hat vor drei Jahren den damaligen Chefdirigenten der Münchner Philharmoniker, Valery Gergiev, entlassen, weil dieser Reiters Aufforderung nicht nachgekommen war, »sich eindeutig und unmissverständlich von dem brutalen Angriffskrieg zu distanzieren, den Putin gegen die Ukraine führt«.

»Die Nähe zu ihren jeweiligen Regierungen mag bei Gergiev und Shani höchst unterschiedlich ausgeprägt sein, dennoch ähneln sich die Vorwürfe, die gegen beide erhoben wurden: Es geht nicht um Dinge, die sie gesagt, sondern um Dinge, die sie nicht gesagt haben«, kommentierte PEN-Berlin-Sprecherin Thea Dorn. »Cancel Culture und politischer Bekenntniszwang sind grundsätzlich abzulehnen und nicht nur dann, wenn es einem gerade ins weltanschauliche Konzept passt.«

Ein Bekenntnis geben wir als PEN Berlin aber gern ab – das Bekenntnis zur Charta des Internationalen PEN, in der es heißt: »Literatur kennt keine Landesgrenzen und muss auch in Zeiten innenpolitischer oder internationaler Erschütterungen eine allen Menschen gemeinsame Währung bleiben. Unter allen Umständen, und insbesondere auch im Krieg, sollen Werke der Kunst, das Erbe der gesamten Menschheit, von nationalen und politischen Leidenschaften unangetastet bleiben.«

PEN Berlin. Wir stehen im Wort.

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