Causa Sharon Dodua Otoo: PEN Berlin mahnt zu Augenmaß

Pressemitteilung vom 29. November 2023
Causa Sharon Dodua Otoo: PEN Berlin mahnt zu Augenmaß

Als Mitte Oktober die Preisverleihung an die palästinensische Autorin Adania Shibli für ihren Roman »Eine Nebensache« auf der Frankfurter Buchmesse »ausgesetzt« wurde, hat der PEN Berlin diese Entscheidung kritisiert. In den Worten seiner Sprecherin Eva Menasse: »Kein Buch wird anders, besser, schlechter oder gefährlicher, weil sich die Nachrichtenlage ändert. Entweder ist ein Buch preiswürdig oder nicht.«

Nun wird ein weiterer Literaturpreis »ausgesetzt«, nämlich der Peter-Weiss-Preis der Stadt Bochum an die britisch-deutsche Schriftstellerin Sharon Dodua Otoo. Ihr wird vorgeworfen, zwei Statements von »Artists for Palestine UK« unterschrieben zu haben.

In einer »Stellungnahme zu Sharon Dodua Otoo/Peter-Weiss-Preis« räumt die Vorsitzende des Bochumer Ausschusses für Kultur und Tourismus, die Grünen-Politikerin Barbara Jessel ein: »Das von uns gesichtete literarische Werk ließ keine antisemitischen Tendenzen erkennen. Auch lag in dem 60-seitigen Dossier zu den 16 nominierten Schriftsteller*innen kein Hinweis vor, dass Otoo Antisemitin sein könnte.« Die Schriftstellerin habe die neunköpfige Jury vielmehr »mit ihrer Vita, ihrem Kampf gegen Diskriminierung und ihrem Werk« überzeugt.

Die Aussetzung des Preises wird allerdings damit begründet, dass »Artists for Palestine UK« die Befreiung Palästinas »mit allen Mitteln« verlangt. Dies bedeute, so Jessel, »sich hinter die Massaker der Hamas des 7. Oktober 2023« zu stellen.

Keiner der beiden von Otoo unterschriebenen Aufrufe enthält jedoch die Formulierung »mit allen Mitteln« (»by all means«). Der aktuelle ruft zum Waffenstillstand auf und bezeichnet das israelische Vorgehen gegen die Hamas in Gaza als »kollektive Bestrafung«.  Im viel älteren, Jahre vor dem 7. Oktober lancierten Aufruf, wird zum »Boykott Israels« aufgerufen: Die unterzeichnenden Künstler, also auch Otoo, verpflichten sich darin, den Staat Israel mit sich selbst, also ihrem eigenen Besuch oder Auftritt zu boykottieren und keine Honorare oder Tantiemen von ihm anzunehmen.

Eva Menasse, Sprecherin von PEN Berlin, stellt dazu fest: »PEN Berlin spricht sich grundsätzlich gegen jeden politisch motivierten Boykott von Kunst und Kultur aus. Der Ansatz von BDS ist falsch und mit den Werten der PEN Charta unvereinbar. Ebenso falsch aber ist, diesen verfehlten Ansatz nun gegen seine Anhänger zu wenden. Angesichts der sich in den letzten Wochen häufenden Fälle erinnern wir die kulturellen Institutionen in Deutschland dringend an ihre Sorgfaltspflicht gegenüber anerkannten Künstler:innen.

Zwar gibt es kein Recht auf Literaturpreise. Der öffentliche Entzug eines bereits zugesprochenen Preises ist jedoch ein derart rufschädigender Schritt, dass er nicht zur Routine werden darf. Zwischen dem Autor und seinen politischen Überzeugungen einerseits und einer preiswürdigen künstlerischen Leistung andererseits muss weiterhin unterschieden werden. So hielt es auch das schwedische Nobelpreiskomitee, als es den Preis an Peter Handke verlieh. Die Gesinnungsschnüffelei auf Unterschriftenlisten untergräbt die Rede- und Kunstfreiheit und macht weder den Staat Israel noch die in Deutschland lebenden Juden sicherer.«

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