Wir trauern um Harry Oberländer

Wir trauern um Harry Oberländer

Foto: Alex Englert

Wir trauern um unser Gründungsmitglied Harry Oberländer, der, wie nun bekannt wurde, im Alter von 73 Jahren plötzlich und unerwartet gestorben ist.

Wir erinnern uns an den Dichter, Übersetzer und Literaturvermittler als engagiertes Mitglied, das aus voller Überzeugung den neuen deutschen PEN mit Wort und Tat unterstützte. Er begrüßte die Gründung eines »deutlich verjüngten PEN, für den das Wort ›divers‹ kein wuterregendes Fremdwort ist und der sich als Non-Governmental Organisation für Rede- und Publikationsfreiheit und die Unterstützung verfolgter Autor:innen sieht«, – das schrieb er nach der Gründungsversammlung des PEN Berlin, zu der er aus seiner hessischen Heimat angereist war.

Harry Oberländer wurde 1950 im nordhessischen Bad Karlshafen geboren und wuchs in einer Zeit der Politisierung an den Schulen auf. Sein Soziologiestudium in Frankfurt am Main nahm er 1969 auf, während der studentischen Unruhen. Dort lernte er in der Gruppe »Revolutionärer Kampf« etwa Daniel Cohn-Bendit und Joschka Fischer kennen, mit dem er in Rüsselsheim den Kontakt zu den »Opelanern« suchte, den »revolutionären Subjekten«. Und doch trennten sich bald wieder ihre Wege, als sich Harry Oberländer gegen die politische Laufbahn und für die (nicht zuletzt engagierte) Dichtung entschied, an der er bis zuletzt arbeitete. Dafür wurde er 1973 mit dem wichtigsten Nachwuchspreis für Lyrik ausgezeichnet, dem Leonce-und-Lena-Preis.

1985 gründete er mit dem Poeten Paulus Böhmer das Frankfurter Literaturbüro, aus dem später das Hessische Literaturforum hervorging. Als er zwischen 2010 und 2016 dessen Programmleitung verantwortete, wurde er zu einer Frankfurter Institution und holte mit seiner Heiterkeit und seinem Humor auch Granden der Weltliteratur, wie Mircea Cărtărescu und J. M. Coetzee, in die Mainmetropole.

In »chronos krumlov«, seinem letzten Gedichtband von 2015, kehrte Harry Oberländer schließlich wieder zu dem zurück, was ihm am Herzen lag, einer Dichtung, der das Geschichtsbewusstsein eingeschrieben ist: »vater was hat denn der pfarrer getan / sei still kind, es geht um den krieg // mutter, wer hat den pfarrer geholt / sei still kind, es geht um heimat und sieg // vater, wo hat man ihn hingebracht / sei still kind, nach dachau im dunkel der nacht«, heißt es im Gedicht über »pater engelmar«. Ihm, der in den Siebzigerjahren auch Logenschließer im Theater war, widmete sein rumäniendeutscher Freund Werner Söllner das Gedicht »Der Logenschließer«: »Er öffnet für das Theater und er tritt / zurück ins Dunkel.«

Wir, seine Freundinnen und Freunde, seine Leserinnen und Leser, werden Harry Oberländer vermissen.

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