100 Jahre PEN_Grußwort von Alexandru Bulucz

Grußwort zum 100. Jubiläum des PEN Deutschland (Darmstadt)
Gehalten auf der Tagung in Hamburg, 22. Juni 2024

Keine Zwillinge, aber Geschwister

Von Alexandru Bulucz

Alexandru Bulucz, Board-Mitglied von PEN Berlin, auf der Tagung des PEN Deutschland (Darmstadt) im Juni 2024 in Hamburg. Foto: privat

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

ja, das sind wir, und das sollten wir – wiewohl nun in zwei großen PEN-Zentren organisiert! – auch nicht vergessen. Das ist das bestimmende Element unserer Beziehungen, unserer Kollegialität.

Sie feiern an diesem Wochenende das 100jährige Bestehen des deutschen PEN-Zentrums, wozu ich Ihnen als Vertreter von PEN Berlin ganz herzlich gratulieren möchte – im Namen von dessen elfköpfigem Board, dem ich angehöre.

Eine Institution wie die Ihre, die sich im 20. Jahrhundert, dem Jahrhundert der Totalitarismen, behaupten konnte, wird auch in Zukunft lange Bestand haben. Nur wenige Jahre nach Ihrer Gründung 1924 waren Sie bereits wegweisend für die gesamte PEN-Gemeinde: Sie engagierten sich politisch für Erich Maria Remarque, entgegen der unpolitischen Satzung des damaligen internationalen PEN-Clubs. Ab 1934 wirkten sie weiter in Gestalt des deutschen Exil-PENs um den Präsidenten Heinrich Mann. 1948 gründeten Sie sich neu und machten nach der Spaltung in Ost und West bald weiter als »Deutsches PEN-Zentrum der Bundesrepublik«, bis dann 1998 der Zusammenschluss des West- und Ost-Zentrums folgte.

Den PEN-Gedanken, dem Sie, dem wir alle folgen, fasste der große, aber nicht unumstrittene Walter Jens auf der PEN-Jahrestagung 1978 in Erlangen wie folgt zusammen:

»Der P.E.N. ist ein Politikum, wenn der Club seiner ersten und wichtigsten Aufgabe nachkommt und sich für seine gefangenen, gefolterten und unterdrückten Kollegen in aller Welt verwendet, dann handelt er politisch, aber eben als eine Institution besonderer Art – als eine Gruppe, die um ihre Machtlosigkeit weiß und zu erkennen hat, dass ihr Einfluss um so größer ist, je humaner, behutsamer und – dies vor allem! – unfanatischer sie Politik in ihren eigenen Reihen praktiziert.«

Humanismus, Behutsamkeit und Fanatismuslosigkeit – das wird weiter gebraucht. Denn es ist kaum zu glauben, aber die Lage für die Arbeitenden des Wortes wird täglich schlimmer. Immer mehr Regimes, ob Iran, Russland oder Uganda, hindern ihre Autorinnen und Autoren an der Ausübung dessen, was uns hier so natürlich vorkommt: ungehinderter Gedankenaustausch, freie Meinungsäußerung, freie Presse – eben das, für das wir mit der Unterzeichnung der PEN-Charta allesamt einstehen. Unsere Arbeit im Einsatz für das freie Wort ist wichtiger denn je.

Ja, es gab einen Bruch im deutschen PEN vor zwei Jahren, aber von heute aus betrachtet, kann man doch vor allem die Vorteile sehen: Mehr Engagement, fast verdoppelte Mitgliederzahl in Deutschland, Sie wachsen, wir wachsen, und immer mehr Menschen sind mit den von mir soeben anzitierten PEN-Idealen vertraut.

PEN Deutschland und PEN Berlin sind keine eineiigen Zwillinge, sie sind überhaupt keine Zwillinge, sie sind Geschwister, Brüder. Der »Bruderkonflikt« ist, um es unseren Vereinigungen entsprechend literarisch zu sagen, eines der ältesten Motive in der Literatur.

Aber man kann es auch ganz anders fassen: Meine Arbeit als Board-Mitglied des PEN Berlin besteht nicht in einer Abgrenzung von PEN Deutschland. So dass ich für mich den Schluss ziehe, dass PEN Berlin nicht gegen etwas gegründet wurde, sondern für etwas ganz Eigenes, aus einer Affirmation heraus.

Ich bin hier bei Ihnen, um Ihnen zu gratulieren und die Gemeinsamkeiten und den Konsens unserer zwei PENs zu betonen. An erster Stelle steht für uns der Schutz politisch Verfolgter und der Schutz des freien Worts. Die Wege, die wir gehen, um dies zu erreichen, sind notwendigerweise verschieden. Die Strukturen des deutschen PENs, auch die ökonomischen, sind etabliert. Häufig bedarf es nur leichter Justierungen an diesen Strukturen, um etwas zum Besseren zu verändern. Die Strukturen des PEN Berlin dagegen werden noch aufgebaut, in kreativer Weise. Wir arbeiten, zum Beispiel, verstärkt mit der Wirtschaft zusammen. Das eine ist nicht besser als das andere und umgekehrt.

Wir stehen im Heute und sollten nach vorne blicken – um derentwillen, denen es schlecht geht und die ein Recht auf Schutz haben und auf uns angewiesen sind. Ich bin davon überzeugt, dass PEN Deutschland und PEN Berlin gut koexistieren können und einander Impulsgeber sind für Veränderungen zum Guten.

Ich bin froh, dass es diese zwei großen deutschen PENs gibt, die sich mit ihren Spitzen José Oliver auf der einen und Deniz Yücel und Eva Menasse auf der anderen Seite konsolidiert haben und eine solide Menschenrechtsarbeit leisten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich gratuliere, noch einmal, im Namen des PEN Berlin PEN Deutschland zum hundertjährigen Bestehen, wünsche Ihnen weiterhin viele Erfolge in ihrer wichtigen Arbeit und bedanke mich für die Möglichkeit, hier vor Ihnen gesprochen haben zu dürfen.

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner