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Folgen des 7. Oktober und der PEN Berlin (Dezember 2023)

3Sat, Kulturzeit, Gespräch von Nina Mavis Brunner mit Eva Menasse, 30. November 2023: »Die Position einer linken Jüdin wie Candice Breitz, die seit vielen Jahren gegen die israelische Besatzungspolitik protestiert, die muss doch in Deutschland einen Platz haben. (…) Ich glaube, dass die Kulturszene ein leichtes Opfer von solchen Polarisierungen der Gesellschaft ist, weil sie sehr symbolisch ist – und weil Aktion hier sehr schnell zu einem Resultat wird: Es gibt ein paar Vorwürfe hier und da, und schon wird ein Preis zurückgezogen oder ausgesetzt. Da ist ja schnell was zu erreichen – was niemandem hilft. Man muss die Dinge immer vom Ende her sehen: Wird dadurch der Antisemitismus weniger? Nein. Wird der Frieden in der Gesellschaft besser? Nein (…) Ich glaube, dass die Digitalisierung eine ganz große Rolle spielt, weil wir alle unsere kuratierte Realität haben.« VIDEO

Frankfurter Allgemeine, Bericht von Andreas Platthaus, 30. November 2023: »Der Historiker und ehemalige Verleger Ernst Piper verlässt PEN Berlin. In einem Schreiben an dessen Co-Vorsitzenden Denis Yücel begründete Piper diesen Schritt mit seinem Eindruck, dass ›das Gesicht von PEN Berlin in starkem Maß von Susan Neiman und Eva Menasse geprägt‹ werde: ›Die selbstherrliche Verachtung, mit der beide über Israel sprechen, fand ich schon immer schwer zu ertragen.‹ (…) Zugleich kritisiert der deutsche Exil-PEN den Präsidenten der Dachorganisation PEN International in London, Burhan Sönmez, weil dieser ›die Gewalt von Hamas und Israel auf eine Stufe‹ gestellt habe.« LINK

Börsenblatt, Bericht, 30. November 2023: »Der Historiker und frühere Verleger Ernst Piper kehrt dem Verband den Rücken. (…) Dies berichtet die FAZ. In einem der Tageszeitung vorliegenden Schreiben an Deniz Yücel, den Co-Vorsitzenden des PEN Berlin, schreibt Ernst Piper über Eva Menasses und Susan Neimans Haltung: ›Die selbstherrliche Verachtung, mit der beide über Israel sprechen, fand ich schon immer schwer zu ertragen.‹ (…) Piper kritisiert in seinem Schreiben auch den Präsidenten des PEN International in London, Burhan Sönmez, der ›die Gewalt von Hamas und Israel auf eine Stufe‹ gestellt habe.« LINK

Berliner Zeitung, Bericht von Timo Feldhaus, 30. November 2023: »Mit einer öffentlichen Erklärung auf Facebook hat (…) Ernst Piper die Schriftstellervereinigung PEN Berlin verlassen. Den Austritt begründet der nicht unbedeutende Historiker und Holocaust-Forscher mit den Einlassungen der Schriftstellerin Eva Menasse und der Philosophin und Direktorin des Berliner Einstein Forums Susan Neiman. (…) Auf Facebook richtet er seine Worte an den Journalisten Deniz Yücel (…). Yücel zeigt sich verwundert, dass der Historiker seine Antwort auf eine persönliche E-Mail zuerst auf Facebook teilt, bevor er sie ihm überhaupt geschickt hat. (…) Es bleibt die Frage, warum Ernst Piper die Auseinandersetzung über solch ein wichtiges Thema nicht innerhalb des PEN Berlin führen möchte. Wäre eine Schriftstellervereinigung nicht genau der richtige Ort für diese Debatte?« LINK

Deutschlandfunk Kultur, Studio 9, Beitrag von Thomas Fitzel, 1. Dezember 2023: »Ich habe sofort gelesen die Begründung von Ernst Piper, war auf Facebook auch mit ganz vielen Kommentaren – 260 Kommentare habe ich schon vorhin gezählt. Wie argumentiert er? Ganz merkwürdig, muss ich sagen. Also ganz allgemein. Dieser Israel-Hass, der seit Jahrzehnten herrschen würde, weswegen Autoren aus Israel keinen Nobelpreis bekommen würden seit dem Sechstagekrieg. Denke ich: Naja, kann ja sein. Aber was hat das mit dem PEN Berlin zu tun? Dann argumentiert, dass er es unerträglich fände, wie gerade Eva Menasse und Susan Neiman, die Philosophin, gerade das Bild des PEN Berlin prägen würden. Und das ist eigentlich Quatsch.« LINK und AUDIO

Berliner Zeitung, Bericht von Tomasz Kurianowicz, 3. Dezember 2023: »Der Schriftsteller und Zeit-Autor Stephan Wackwitz schrieb am Sonntag auf Facebook: (…) Seit dem 7.10. kann jedoch man auf den Gedanken kommen, dass der PEN Berlin als Organisation eine BDS-Schlagseite hat: das Schweigen zum Pogrom der Hamas, die Adania-Shibli-Lesung auf der Buchmesse, die Einladung an A.L. Kennedy als keynote speaker zum Kongress am 16.12. Dieser Eindruck ist dem politisch-intellektuellen Renommee des PEN Berlin sehr abträglich. Sollte er sich weiter verfestigen, ginge das – sehr bedauerlicherweise – nicht zusammen mit meiner weiteren Mitgliedschaft im PEN Berlin und ich habe das Board deshalb heute herzlich gebeten, dem entstandenen Eindruck einer BDS-Nähe des PEN Berlin deutlich und glaubwürdig entgegenzutreten.« LINK

Süddeutsche Zeitung, Beitrag von Alena Jabarine, 5. Dezember 2023: »Ich vermisse fundierte Analysen. Ich vermisse aber auch, dass betroffene Palästinenser nach ihrer Expertise gefragt werden. Das würde die Debatten in Deutschland nicht nur bereichern, sondern überhaupt erst komplettieren. Es ist grotesk, wie stattdessen über Menschen gesprochen, ihr Handeln, ihre Gefühlslage analysiert wird, ohne sie einzubeziehen. Warum ist das so? (…) Werden wir aus dieser Spaltung jemals wieder herauskommen? Hoffnung machen mir Menschen, die miteinander, statt übereinander reden, Solidarität zeigen. Wie die jüdischen Autorinnen und Autoren, die auf der Frankfurter Buchmesse bei einer spontanen Lesung des PEN Berlin aus dem Roman der nicht anwesenden Preisträgerin Adania Shibli lasen. Integrität bewahren, Empathie zeigen. Der Preis für diese Werte ist in Deutschland dieser Tage hoch.« LINK

Berliner Zeitung, Interview von Cornelia Geißler mit Deniz Yücel und Eva Menasse, 5. Dezember 2023: [Yücel:] »Warum sollte ein Meinungsstreit für einen Verein für Meinungsfreiheit ein Problem sein? Dafür haben wir den PEN Berlin ja gegründet: um praktische Solidarität für verfolgte Autorinnen und Autoren zu organisieren, aber auch, um uns in innenpolitische Debatten um Meinungsfreiheit einzumischen und an der Organisierung von Debatten zu beteiligen – mit aller Pluralität von Meinungen, die wir auch innerhalb des Vereins haben und haben möchten.« [Menasse:] »Man wird es nie allen recht machen können, einzelne Austritte gab es von Anfang an, aber im Moment bekommt man dafür besonders viel Aufmerksamkeit – 15 minutes of fame, um einem jungen Verein zu schaden, der bisher in sehr kurzer Zeit wirklich solide kulturpolitische Arbeit geleistet hat.« LINK

Hagalil, Beitrag von Ramona Ambs, 6. Dezember 2023: »Ich bin nicht bereit, Antisemitismus als Meinung zu akzeptieren. (…) Deshalb habe auch ich den PEN Berlin nun verlassen. Darüber bin ich tatsächlich traurig, denn ich finde viele der Aktionen dieses Vereins großartig und wichtig. Dazu zählen das beharrliche Einsetzen für Toomaj Saleh, die Unterstützung für Salman Rushdie, Yavuz Ekinci, Seyran Ateş usw. Das nutzt nur leider nichts, wenn der Verein eine Schlagseite hat und die Kritik daran als 15-Minuten-Fame abgetan wird. Die Einsamkeit in solchen Reihen halt ich nicht aus. Ich wünsche Deniz Yücel dennoch weiterhin viel Erfolg für die guten Dinge des PEN Berlin und danke vor allem Alexandru Bulucz für seine empathischen Bemühungen, mich in dem Verein zu haben und zu halten.« LINK

Neue Zürcher Zeitung, Kommentar von Paul Jandl, 6. Dezember 2023: »Man muss sich die Frage stellen: Welche Probleme hat der PEN Berlin damit, ähnlich klare Stellungnahmen zu verfassen? Als Sprecherin des PEN Berlin hat Eva Menasse in der Causa Otoo zu einer irritierenden Formulierung gefunden: ›(…) Der Ansatz von BDS ist falsch und mit den Werten der PEN-Charta unvereinbar. Ebenso falsch aber ist, diesen verfehlten Ansatz nun gegen seine Anhänger zu wenden.‹ Das ist eine schwindelerregende Logik, die in klaren Worten ja nur eines heissen kann: Wenn der BDS antisemitisch ist, dann darf man seinen Anhängern nicht vorwerfen, dass sie diesen Antisemitismus gut finden. Ist das die Meinungsfreiheit, die der PEN Berlin heute verteidigen will?« LINK

Die Zeit Nr. 52/2023, Beitrag von Hanno Rauterberg, 6. Dezember 2023: »Die Stimmung: verhetzt und schwer verdrossen, das sagen selbst gelassene Gemüter. Ein falsches Wort oder auch nur ein nicht gesagtes, schon droht die diskursive Exkommunizierung. Erst vorige Woche bekam der PEN Berlin zu spüren, wie tief die Meinungskluft auch unter Schriftstellern und Autoren gerade ist. Ausgerechnet hier, wo man auf produktiven Streit, den Austausch der Gedanken setzt. Die PEN-Vorsitzende Eva Menasse spreche mit ›selbstherrlicher Verachtung‹ über Israel, warf ihr der einstige Verleger Ernst Piper vor. Doch statt sich in den Disput zu begeben und gemeinsam die Argumente zu wägen, trat er kurzerhand aus. Glaubt noch jemand an kommunikative Vernunft? Aus der politischen Debatte über das Massaker der Hamas ist unversehens ein Streit um Anstandsfragen geworden: Immer seltener geht es um Fakten, immer öfter um Bekenntnisse.« LINK

Der Freitag Nr. 50/2023, Interview von Philipp Haibach mit Ernst Piper, 7. Dezember 2023: [Haibach]: »Was ist das Thema?« – [Piper]: »Israel ist ein ganz besonders sensibles Thema und beim PEN Berlin werden Positionen vertreten, die fundamental von dem abweichen, was ich für vertretbar halte. Daher möchte ich mit Neiman und Menasse nicht mehr im selben Verein sein.« (…) – [Haibach]: »Was ist mit Amos Oz?« – [Piper]: »Er lebt zwar noch, aber unter den gegenwärtigen Umständen hätte er natürlich nicht die geringste Chance, auch wenn das nicht von Greta Thunberg entschieden wird.« LINK [€]

Jüdische Allgemeine, Beitrag von Ramona Ambs, 7. Dezember 2023: »Was als Einzelteil verschmerzbar wäre, wird in der Summe dann doch schwer erträglich. Auch ein pluralistischer und vielfältiger Verband braucht einen Minimalkonsens – und der droht beim PEN Berlin gerade verloren zu gehen. Deshalb bin auch ich nun ausgetreten.« LINK

Deutschlandfunk, Büchermarkt, Nora Karches im Gespräch mit Ramona Ambs, 7. Dezember 2023: [Karches:] »Jetzt haben Sie schon Susan Neiman angesprochen. Zusammen mit Eva Menasse hat sie 2021 die Jerusalem Declaration unterschrieben, eine Erklärung zum Antisemitismus, in der sich durchaus fragwürdige Passagen finden. Müssten wir ganz grundsätzlich darüber sprechen, wie damit umzugehen ist, wenn sich Funktion und Positionierung einer Person vermischen?« [Ambs:] »Ja, ich meine, das ist immer problematisch.« LINK und AUDIO

DLF Kultur, Studio 9, Axel Rahmlow im Gespräch mit Deniz Yücel, 7. Dezember 2023: »Die meisten der in Ihrem Beitrag genannten Namen haben, mit einer Ausnahme, an keiner Stelle eine interne Auseinandersetzung gesucht, eine interne Kritik formuliert. Und das finde ich sehr schade. Weil: Man kann den Gedankenaustausch, den Streit der Meinungen – und dafür sind wir ja da – schlecht in einem Verein austragen, wenn die Artikulation von Kritik in der Gestalt eines öffentlich zelebrierten Austritts daherkommt. Auch das ist natürlich legitim. Aber aus Vereinssicht hätte ich mir einen anderen Umgang gewünscht.« LINK und AUDIO

DLF Kultur, Studio 9, Kommentar von Carsten Hueck, 8. Dezember 2023: »Vier Diskutanten sollen sich zu einem Themenkomplex äußern, der seit mehr als hundert Jahren behandelt wird. Dafür vorgesehen: eine Stunde. Schaut man sich die Namen der ausgewählten vier Personen an, schwant einem, dass sich die Kürze der Veranstaltung vermutlich durch grundsätzliche Einigkeit begründet. (*) Ein palästinensischer Verleger und Buchhändler wird dabei sein, der sich unlängst im Buchladen fotografieren ließ – mit Kufiyah, dem traditionellen Palästinensertuch, zu dessen Tragen in den 1930ern Mohammed Amin el-Husseini, Großmufti von Palästina und ein Bewunderer Hitlers, aufgerufen hatte. (…) (*) Redaktioneller Hinweis: Die Dauer der Podiumsdiskussion beträgt nicht wie ursprünglich angegeben eine halbe, sondern eine ganze Stunde.« LINK und AUDIO

Welt, Beitrag von Mara Delius, 8. Dezember 2023: »Solidaritätsbekundungen und Lesungen aus Shiblis Buch einerseits, andererseits kontroverse, produktive Diskussionen um Israel und weltweiten Antisemitismus, um neuen, alten, linken, rechten – viele von den Veranstaltungen organisierte auf der Buchmesse die Schriftstellervereinigung PEN Berlin. Hätte es sie ohne die polarisierte Debatte um die Verschiebung der Preisverleihung gegeben? Man weiß es nicht – auch deswegen nicht, weil die Person, die die Debatte hätte voranbringen können, sich zurückzog und schwieg. (…) Sharon Dodua Otoo hat mit ihrer souveränen Aktion – Selbstreflexion, keine Selbstzensur – vermutlich mehr für die aktuelle Debattenkultur im Literaturbetrieb getan, als es mit einer der gewöhnlichen Literaturpreisdankesreden möglich gewesen wäre. Adania Shiblis Schweigen wirkt dagegen umso hermetischer.« LINK

Berliner Zeitung, Bericht von Timo Feldhaus, 8. Dezember 2023: »Susan Neiman (…) hat Ernst Piper nun in einer E-Mail auf die Anwürfe geantwortet (…): ›Ihrem vielverbreiteten Facebook Post entnehme ich, dass Sie bereit sind, mich zu diffamieren, obwohl Sie offensichtlich beinahe nichts über mich wissen‹, schreibt Neiman dort. Weiter erklärt sie, dass sie nichts mit der Leitung des PEN zu tun habe. Sie sei ›ein normales Mitglied, das seine Jahresbeiträge bezahlt‹. Neimans wichtigster Punkt ist: ›Sie unterstellen mir in der Öffentlichkeit eine ›selbstherrliche Verachtung‹ gegenüber Israel. Bitte geben Sie umgehend bekannt, auf welche Aussagen sich Ihr Kommentar bezieht. Sollte Ihnen das nicht gelingen, fordere ich Sie auf, diesen rufschädigenden Vorwurf von Ihrem Facebook-Konto unverzüglich zu entfernen.‹« LINK

taz, Beitrag von Julia Hubernagel, 13. Dezember 2023: »Die Haltung Yücels ist eigentlich klar. Gegen Antisemitismus, egal, ob er von Nazinachfahren oder Muslimen kommt, und gegen Ja-aber-Haltungen zu Israel schreibt der Welt-Korrespondent seit Jahren an. Die Position Menasses ist ebenso bekannt. Sie hält daran fest, dass auch in Deutschland Israel kritisiert werden darf. Seit einigen Jahren, so schrieb sie am Dienstag in der NZZ, werden jedoch ›die Linien besonders bei Verdacht auf Antisemitismus enger gezogen‹. Eigentlich müssten die beiden Board-Spre­cher:in­nen so doch ausgewogen durch die Krise kommen. Doch ausgeglichen wirkt der PEN Berlin von außen betrachtet nicht.« LINK

Der Freitag Nr. 50/2023, Beitrag von Susan Neimann, 13. Dezember 2023: »Es ist mühsam, alle Fehler im Freitag-Interview mit Ernst Piper zu korrigieren (…) Zunächst: Ich habe mit der Leitung von PEN Berlin nichts zu tun. Ich bin lediglich Mitglied. (…) Zum wichtigsten Punkt: Piper wirft mir und Eva Menasse ›selbstherrliche Verachtung für Israel‹ vor. Ist ihm bekannt, dass Menasses Vater nur deshalb den Holocaust überlebte, weil er mit acht Jahren auf einen Kindertransport nach England geschickt wurde? Weiß er, dass ich nicht nur Jüdin, sondern israelische Staatsbürgerin bin, die von 1995 bis 2000 Philosophieprofessorin an der Universität Tel Aviv war? Vermutlich nicht, denn gewiss würde jeder anständige Deutsche einen Moment innehalten, bevor er zwei jüdische Frauen als Israel-Verächterinnen diffamiert.« LINK [€]

Die Zeit Nr. 53/2023, Beitrag von Eva Menasse, 13. Dezember 2023: »Der ›nicht unbedeutende Historiker‹ Ernst Piper (Berliner Zeitung) ist wegen meiner politischen Ansichten und derer eines einfachen Mitglieds, der Philosophin Susan Neiman, per Facebook-Verlautbarung ausgetreten. Eine gemeinsame Vereinszugehörigkeit wurde ihm unerträglich; für diesen ›Mut‹ und diese ›klare Haltung‹ hat er online fast tausend Likes bekommen. Mit etwas innerem Abstand ist das bloß eine kleine deutsche Übertragungssatire. (…) Jemand wie Piper könnte sich zumindest fragen, warum er diesem Verein beigetreten ist, wenn die einzige Aktivität in einem krachenden Austritt beshtand. Warum er nie das Gespräch suchte. Vor allem aber, ob er die größte Piper-Autorin Hannah Arendt, die Menachem Begin und dessen Partei immerhin mal in einem offenen Brief mit Terror, Faschismus und Nazismus verglich, als Vereinskollegin akzeptieren würde, wenn es ihm bei Susan Neiman nicht gelingt.« LINK [€]

Achgut.com, Kommentar von Thomas Schmid, 14. Dezember 2023: »Wie viele ihrer Kolleginnen und Kollegen ist A. L. Kennedy gewissermaßen zweierlei: Schriftstellerin und Persönlichkeit mit Meinungen. Als letztere hat sie zum Beispiel zum Boykott des Eurovisions-Contests 2019 aufgerufen. Weil der in Israel stattfand. Auch hat sie offensichtlich zumindest Sympathien für den BDS. Deniz Yücel verteidigt ihre Teilnahme am Kopf-durch-die-Wände-Kongress dennoch, und zwar mit dem Argument, er schätze sie als Schriftstellerin. Eben da liegt das Problem. (…) Das belegt etwa Thomas Mann, der vor 1918 dem deutschen Chauvinismus huldigte. Das belegen der große amerikanische Lyriker und Mussolini-Bewunderer Ezra Pound (…). Es kommt also nicht eben selten vor, dass sprachbegabte Schriftstellerinnen und Schriftsteller politisch ziemlich unbedarft und irrig sind.« LINK

Süddeutsche Zeitung, Bericht von Sonja Zekri, 14. Dezember 2023: »Und der PEN Berlin? Es habe nie eine Vorlage für ein Statement gegeben, keinen Text, keinen Vorstoß, nichts sei verhindert worden, sagt Eva Menasse am Telefon, Pipers Behauptung sei ›eine glatte Lüge‹. Nach Post des Medienanwalts Höch räumt Piper am Telefon ein, dass er selbst nicht versucht habe, ein Solidaritätsstatement zu formulieren und die entsprechende Formulierung inzwischen aus dem Freitag-Interview hat entfernen lassen. (…) Auf ein zweites Anwaltsschreiben hin will Piper die Formulierung der ›selbstherrlichen Verachtung‹ nicht wiederholen.« LINK

Tagesspiegel, Kommentar von Gerrit Bartels [und zwei weitere Kommentare], 14. Dezember 2023: »Die Kritik, man positioniere sich nicht eindeutig genug für Israel oder distanziere sich zu wenig von der BDS-Bewegung, moderieren Eva Menasse und Deniz Yücel manchmal etwas arg non-chalant weg. (…) Dann aber ist es auch so, dass natürlich in einem Verein wie dem PEN Berlin debattiert und gestritten wird, das ist sein Sinn und Zweck – und dass es gilt, unterschiedlichste Positionen und Meinungen auszuhalten, am Ende bildet die Schriftstellervereinigung auch nur die globale Disparatheit in Sachen Israel und Palästina ab. Bislang gelingt der Balance-Akt von PEN Berlin, und das müsste er auch nach diesem Wochenende.« LINK

Radio Eins, radioeins ab drei, Max Spallek und Frauke Oppenberg im Gespräch mit Eva Menasse, 14. Dezember 2023: [Oppenberg]: »Das PEN-Zentrum Deutschland hat seine Solidarität mit Israel erklärt, der PEN Berlin nicht. Können Sie verstehen, dass das einigen Ihrer Mitglieder zu wenig Haltung ist (…)?« [Menasse]: »Mir ist in letzter Zeit zu viel von Haltung die Rede und zu wenig von Taten und Handlungen. (…) Wir wissen auch nicht, wem das genützt hätte, ein Statement herauszugeben. Wir haben unmittelbar nach dem 7. Oktober versucht, möglichst viele und verschiedenartige Veranstaltungen zu diesem Thema zu organisieren. (…) »[Spallek:] »Aber ist Solidarität schon eine Haltung?« [Menasse]: »(…) Ich komme aus einer jüdischen Familie, für mich fühlt sich das sehr merkwürdig an, wenn ich von deutschen Nicht-Juden aufgefordert werde, mich zu irgendwas zu bekennen. Meine Solidarität gehört immer Israel. Aber unsere Empathie gehört im Moment auch den zivilen Opfern im Gazastreifen. Da muss man sich nicht entscheiden.« LINK und AUDIO

Flux FM, Jonas Otten im Gespräch mit Deniz Yücel, 14. Dezember 2023: »A.L. Kennedy haben wir als großen Namen der Gegenwartsliteratur eingeladen Das mit BDS wusste ich einfach nicht. Ich habe es aber auch nicht überprüft. Wenn wir A.L. Kennedy als Referentin zum Thema Nahost eingeladen hätten, dann wäre es fahrlässig gewesen nicht zu wissen, wo die Referentin eigentlich steht. Aber wenn man sie nicht für diesen Zweck einlädt, finde ich es auch problematisch zu gucken: Was sagt sie zu Transgender-Themen, was sagt sie zum Thema Migration, zum Ukrainekrieg…? Ich kann doch nicht Veranstaltungen machen, wo am Ende nur noch ich selber als Hauptredner übrig bin, weil bei jedem finde ich irgendwas, das mir nicht passt. (…) Und ich bitte darum, eine Rede, die noch nicht gehalten wurde oder eine Diskussion, die noch nicht stattgefunden hat, vorab endgültig zu beurteilen.« LINK und AUDIO

WDR 5 Scala, Aktuelle Kultur, Beitrag von Martin Becker, 15. Dezember 2023: »Der Überfall der Hamas auf Israel hat auch im PEN Berlin die Debatten eindeutig bedeutender und ernster werden lassen. Es geht darum, was gesagt werden darf, die frei die freie Rede ist und wann es Zeit ist, sich zu positionieren. (…) Zusammengefasst: Man kann bei der ganzen Debatte um den PEN Berlin ein Gefühl bekommen, nämlich: dass etliche Seiten gerade zwar sehr temperamentvoll, aber auch gezielt aneinander vorbeireden.« LINK und AUDIO

DLF Kultur, Lesart, Gespräch mit Ursula Krechel,  15. Dezember 2023: »Böll hat einmal von der ›Einigkeit der Einzelgänger‹ gesprochen. Wir sind alle ehrenamtlich tätig; es ist nicht möglich, dass immerzu diskutiert werden kann. Wir haben auch eine andere Arbeit zu tun. (…) Ich denke, wir stehen nur gut da in der deutschen Gesellschaft, wenn wir Positionen Raum lassen und Positionen nicht gleich mit einem Etikett versehen. (…) A.L. Kennedy ist schon im Sommer eingeladen worden, als nicht daran gedacht wurde, dass etwas so schreckliches passieren würde. Sie ist die interessanteste Autorin Großbritanniens und eine begnadete Satirekerin ihrem eigenen Land gegenüber. Ich glaube, dass sie ist klug und vorsichtig genug ist, sich darauf einzustellen, was hier angemessen ist. Ich freue mich sehr auf sie.« LINK und AUDIO

Neue Zürcher Zeitung, Beitrag von Eva Menasse, 16. Dezember 2023: »Weiter schreibt Jandl, ich wolle ›die Meinungsfreiheit so hochhalten, dass auch der Antisemitismus darunterpasst‹ – das war der nächste Atemnot-Moment. Mein Vater überlebte als Flüchtlingskind in England, mein Grossvater als Zwangsarbeiter und ›Sternträger‹ in Wien, meine Tante starb auf der Flucht, die Urgrossmutter in Theresienstadt, mein ganzes Schreiben kreist darum. Was masst sich Jandl an? Warum ist so schwer zu verstehen, dass man deutsche Antisemitismus-Bekämpfung an der einen Stelle für eher symbolisch hält, an anderer aber für unaufmerksam? Ich muss damit nicht recht haben, möchte aber nicht zur Antisemitismus-Befürworterin gemacht werden, schon gar nicht von Leuten, deren Vorfahren das ›Dritte Reich‹ anders verbracht haben als meine.« LINK

DLF Kultur, Fazit, Gespräch mit Elke Buhr und Carsten Probst, 22. Dezember 2023: [Seidler:] »In Deutschland ist die Debatte eskaliert in eine Richtung, wo man das Gefühl hat, dass die Kunstfreiheit in Gefahr geraten ist, weil auch die Politik droht, immer mehr Einfluss zu nehmen auf die Institutionen. (…) Ich wünsche mir, dass es mehr solche Veranstaltungen gibt wie kürzlich beim PEN Berlin, wo gesagt wurde: Es geht jetzt hier nicht darum, wer wen unterstützt, oder welche Position…, sondern dass es eine Freiheit des Wortes gibt. Also dass man sich wieder darauf besinnt: Es gibt zunächst Meinungsfreiheit. Dann kann man Argumente friedlich austauschen unter Intellektuellen. Und dann kann man ja immer noch sagen: ›Ich kritisiere das, ich finde das nicht gut.‹ Aber diese Praxis, dass man jetzt sagt, man möchte gewisse Positionen einfach eliminieren aus öffentlichen Institutionen und das auch noch staatlich sanktioniert – ich finde, das darf nicht sein.« LINK und AUDIO (AUSSCHNITT)

Berliner Zeitung, Interview von Ulrich Seidler mit Jeanine Meerapfel, 22. Dezember 2023: [Seidler:] »Gibt es wie etwa beim PEN Berlin Austritte aus der Akademie wegen dieses Konflikts? Breitz lässt ihre Mitgliedschaft deswegen jetzt ruhen. [Meerapfel:] »Ich fände es schade, wenn wir die Diskussion über die Freiheit der Kunst nur an dem Fall und der Person Candice Breitz festmachen. Das finde ich von der Gewichtung her nicht in Ordnung. Es geht um allgemeinere Fragen, um unsere Öffentlichkeit, um die Haltung der Bundesrepublik. Darum, dass man aufpassen muss, dass man nicht abrutscht in antimuslimische oder antisemitische Fahrwasser.« LINK [+]

Neue Osnabrücker Zeitung, Beitrag von Stephan Lüddemann, 31. Dezember 2023: »Spaltet sich der PEN womöglich ein weiteres Mal? Im Mai 2022 zerbricht die Autorenvereinigung bei ihrer Jahrestagung in Gotha in zwei Teile. Damals zerstreiten sich die Autoren über den gerade gewählten Präsidenten Deniz Yücel und seine Forderung nach einer Flugverbotszone für die Ukraine. Nun ist wieder Feuer unter dem Dach. Wie verhält man sich nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 zu Antisemitismus und Gewalt? Welche Haltung ist gefragt? Und was deckt die Meinungsfreiheit ab? Das Wort Debatte reicht nicht aus, um die Sprengkraft jenes Grundsatzkonfliktes fasslich zu machen, der in diesem Jahr nicht allein den PEN, sondern den ganzen Kulturbetrieb lahmzulegen droht.« LINK [+]

Der Standard, Beitrag von Thomas Edlinger 31. Dezember 2023: »›Wo stehst du mit deiner Kunst, Kollege?‹ heißt ein Bild von Jörg Immendorff von 1973. Es zeigt einen Künstler, der einen anderen Künstler zur Solidarität mit der demonstrierenden Arbeiterschaft auffordert. Die Schriftstellerin Eva Menasse sagte in einem Interview im Falter: ›Diese Bekenntniswut hat es früher nicht gegeben.‹ Und heute? Bist du solidarisch mit Israel, Kollege? Bist du für ein freies Palästina, Kollegin?« LINK

Debatte um Verleihung des Hannah-Arendt-Preises an Masha Gessen

RBB Kultur, Der Tag, Frank Schmid im Gespräch mit Eva Menasse, 14. Dezember 2023: »Es geht nicht um Masha Gessen und sie muss niemandem leidtun, denn das ist ein sehr provokanter Text. Man muss aber auch daran denken, dass Hannah Arendt, in deren Namen sie geehrt werden sollte, unglaublich provokante Texte geschrieben hat, gerade auch zu Israel. Die Frage muss erlaubt sein, ob Hannah Arendt heutzutage den Hannah-Arendt-Preis bekommen könnte. Und ich sage Ihnen: In Deutschland, in der derzeitigen Diskurssituation, vermutlich nicht. Mir geht es eher um Deutschland als Kulturstandort. Wir haben jetzt eine Serie von solchen Absagen und Rücknahmen von Auszeichnungen. Und das bedeutet ja etwas. Das bedeutet, dass hier gerade Sprachregelungen eingezogen werden, die im Rest der Welt nicht gelten. Darüber muss man sich in Deutschland im Klaren sein.« LINK und AUDIO

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