Themen im März (Julian Assange, Leipziger Buchmesse, Bauernproteste u.a.)
Eva Menasse zur Nahostdebatte im PEN Berlin und Debattenkultur allgemein
SRF Kultur, Sternstunde Philosophie, Barbara Bleisch im Gespräch mit Eva Menasse, 31. März 2024: [Bleisch:] »Mich interessiert, die die Debattenkultur in den sozialen Medien rückwirkt in unsere reale Diskussion. (…) Sie sind Sprecherin von PEN Berlin, und da war es so, dass man Ihnen sofort nach dem 7. Oktober vorgeworfen hat (…), Sie hätten zu wenig schnell und zu wenig klar Position bezogen. (…)« – [Menasse:] »Es war eigentlich umgekehrt: In den ersten Wochen nach dem 7. Oktober waren wir noch die Helden, weil wir für die Frankfurter Buchmesse unser Programm angepasst und sofort eine Israeldiskussion als ersten Punkt des offiziellen Programms der Messe gesetzt haben. (…) Gleichzeitig haben wir dagegen protestiert, dass der Literaturpreis, der der palästinensischen Autorin Adania Shbili hätte vergeben werden sollen, zurückgenommen wurde. (…) Wir haben also versucht, ganz vielfältig zu reagieren. Dass wir dann diese Kritik bekommen haben, kam erst Wochen später. Da hat sich der Kulturbetrieb auf gewisse Weise ein Opfer gesucht. Und das Interessante ist für mich heute, dass wir die waren, die aktiv warfen und Sachen gemacht haben. (…) Und das wurde dann auf eine verdrehte Weise aufgebauscht.« LINK und VIDEO
MDR Kultur, Kultur Café, Carsten Tesch im Gespräch mit Eva Menasse, 10. März 2024: »Ich finde weiterhin, dass der kategoriale Unterschied, der mit der digitalen Kommunikation in die Welt gekommen ist, immer noch nicht ganz verstanden worden ist: Wir haben die Kritik an den Massenmedien – Stichwort: Habermas –, und damals war schon dieser Kulturpessimismus anwesend, dass wir alle zu einer riesigen Masse von Empfängern werden, die von den Massenmedien beschallt werden. Aber mit der Interaktivität kommt etwas ganz Neues hinzu: Wir können auch zurückschallen. Dadurch ergeben sich enorme Interferenzen zwischen all diesen Sendern und Empfängern, die wir alle sind. Und der Verlust von herkömmlichen Medien, also der Machtverlust auf die öffentliche Meinung ist ganz enorm.« AUSZÜGE (TEXT) und GANZES GESPRÄCH (AUDIO)
Zum Aufschub für Julian Assange
Welt TV, Die Welt am Mittag, Deniz Yücel im Gespräch mit Nele Würzbach, 26. März 2024: [Würzbach:] »2010 wurden diese Dokumente auf Wikileaks veröffentlich und seitdem gibt es eine große Diskussion: Ist er Verräter oder Journalist? (…)« – [Yücel:] »(…) Die Arbeit von Wikileaks war nicht klassisch-journalistisch. (..) Internationale Medien, die über die aufgedeckten Kriegsverbrechen berichtet haben, haben dabei manche Namen geschwärzt. Das hat Assange nicht gemacht. Das kann man ihm vorwerfen. Aber zum einen konnte der Vorwurf, dass durch Assange Mitarbeiter der USA in Afghanistan oder im Irak gefährdet wurden, nie gewesen. Zum zweiten hat er auch für diese handwerklichen Fehler seit über 13 Jahren einen verdammt hohen Preis bezahlt.« LINK und VIDEO
dpa-Bericht, übernommen u.a. von der Neuen Osnabrücker Zeitung, 26. März 2024: »Wikileaks-Gründer Julian Assange hat in seinem Antrag auf Berufung gegen die drohende Auslieferung an die USA noch einmal Aufschub erhalten. (…) Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) begrüßte die jüngste Entscheidung. Assange habe einen Etappensieg errungen, hieß es in einer DJV-Mitteilung am Dienstag. ›Damit steht die Tür einen Spaltbreit offen für späte Gerechtigkeit‹, sagte DJV-Bundesvorsitzender Mika Beuster der Mitteilung zufolge. (…) Der Schriftstellerverband PEN Berlin lobte die Entscheidung ebenfalls, mahnte aber, es sei noch keine Entscheidung in der Sache gefallen. ›Julian Assange konnte heute nicht gewinnen; für ihn ging es nur darum, nicht zu verlieren‹, sagte PEN-Berlin-Sprecherin Eva Menasse.« LINK
Börsenblatt, Bericht, 26. März 2024: »Zwar begrüßt der PEN Berlin die Entscheidung des britischen Gerichts, gleichwohl betonte Sprecherin Eva Menasse, dass das Urteil vom Dienstag keine Entscheidung in der Sache bedeute. (…) ›Die britische Justiz muss so schnell wie möglich diesen Zustand beenden, Assange freilassen und ihm bis dahin humane Haftbedingungen gewähren.‹ In seiner Pressemitteilung weist der PEN Berlin auch darauf hin, dass Julian Assange wegen der Veröffentlichungen von WikiLeaks seit über 13 Jahren in Unfreiheit lebt. ›Für die Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan, die WikiLeaks aufgedeckt hatte, musste sich hingegen bis heute niemand vor einem Gericht verantworten.‹« LINK
Zur Leipziger Buchmesse
Börsenblatt, Bericht von Nils Kahlefendt, 26. März 2024: »wenn [Stephan Anpalagan] – klug und rhetorisch brillant – mit ein, zwei druckreif formulierten Sätzen den Kern eines Problems freilegt, kann man auch auf einem lärmumtosten Buchmesse-Forum die berühmte Stecknadel zu Boden fallen hören. Stephan Anpalagan (…) heimste womöglich die Hälfte der Redezeit auf einem rappelvollen, vom PEN Berlin organisierten Podium am Buchmesse-Sonntag ein, das mit der aspekte-Literaturpreisgewinnerin Miku Sophie Kühmel und dem Autor Max Annas eh schon gut besetzt war. Die von Sophie Sumburane moderierte Runde ›Wie Rechte reden‹ ging vor dem Hintergrund der anstehenden Landtagswahlen im Osten der Frage nach, wie Sprache Radikalisierung beeinflusst – und was andererseits Sprache und Literatur im Kampf gegen Rechtsextremismus tun können.« LINK
Zur Podiumsdiskussion »Protestbauern, Bauernproteste« im Humboldt Forum
Zeit-Online, Bericht von Maja Beckers, 6. März 2024: »Der Abend beginnt mit dem Hinweis, wie unwahrscheinlich dieser Abend ist. Man habe lange suchen müssen, sagt Doris Akrap, Journalistin und Mitglied des PEN Berlin, um Menschen zu finden, die sowohl Landwirte als auch Schriftsteller sind. (…) Eine vom PEN Berlin ausgerichtete Diskussion mit dem Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir mit dem Titel Bauernproteste – Protestbauern wäre also nicht am Zeitplan des Ministers gescheitert. (…) Schön ist, dass sich diese Runde gar nicht einig ist, ob es diesen Riss zwischen den Welten überhaupt gibt. Reinhard Kaiser-Mühlecker glaubt, Bauern würden von vielen als Subventionsempfänger gesehen. (…) Man kennt die meisten Argumente, aber vor allem Duves Energie setzt die Runde in Schwung. (…) Und dann gibt es doch noch einen kleinen Moment in der ansonsten rein politischen Diskussion, der daran erinnert, dass Schriftsteller auf der Bühne sitzen.« LINK [€]
Welt, Bericht von Christoph Kapalschinski, 6. März 2024: »Da konnte die Wahl-Brandenburgerin Duve noch so wettern – etwa gegen Bauern, die Unterstützung forderten für Probleme mit dem Klimawandel, den sie selbst mitverursachten. (…) ›Mir kommt der Bauernverband immer vor wie ein ungezogenes Monsterkind, das seit Jahrzehnten kein Nein gehört hat‹, schimpfte die 62-Jährige. Daher müsse endlich ein Keil zwischen die Bauernfunktionäre und die Landwirte getrieben werden. Das allerdings ist so ziemlich das Gegenteil der politischen Taktik Özdemirs. (…) Was ›diese Regierung‹ geschafft habe sei ›große Staatskunst‹, ätzte der Minister über die Kabinettskollegen: Die zerstrittenen Bauernfraktionen seien ›für einen Moment alle geeint wegen des Agrardiesels‹. Und das zu Recht: Schließlich gebe es keine ökologische Alternative als Treibstoff für Trecker. Zudem habe die Ampel versäumt, vor den Beschlüssen mit den Landwirten zu sprechen. ›So bringt man die Leute dazu, Klimaschutz zu hassen‹, warnte Özdemir.« LINK [€]