Coverage

Frankfurt Book Fair (»In concern for Israel«, »Hopa for Russia?«, Adania Shibli)

On the panel »In concern for Israel«

Israel-Podium v.l.n.r.: Esther Schapira, Doron Rabinovici, Tomer Dotan-Dreyfus, Meron Mendel. Foto: Ali Ghandtschi

 RBB Kultur, Der Tag, Bericht von Stephan Ozsváth, 18. Oktober 2023: »Die Kämpfe in Nahost beschäftigen natürlich auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Frankfurter Buchmesse. Und wie es aus Frankfurt heißt, wird der Konflikt auf der Messe heftig diskutiert, erst recht seit dem gestrigen Eröffnungsabend, nach der Rede des slowenischen Philosophen Slavoj Žižek. (…) Was bislang fehlte, war der Austausch mit israelischen Intellektuellen. Das hat der PEN Berlin heute Vormittag nachgeholt, hat kurzfristig eine Podiumsdiskussion organisiert, prominent besetz.« LINK und AUDIO

NDR.de, Bericht von Joachim Dicks, 18. Oktober 2023: »›In Sorge um Israel‹: Unter diesem Titel hat der PEN Berlin die israelischen Intellektuellen und Autoren Tomer Dotan-Dreyfus, Meron Mendel und Doron Rabinovici zu einem Gespräch im Pavillon auf der Agora der Frankfurter Buchmesse eingeladen. Die Autorin Esther Schapira moderierte die Veranstaltung und betonte gleich zu Beginn, dass es kein Streitgespräch geben werde, sondern ein gemeinsames Nachdenken, zumal alle auf dem Podium Versammelten auch persönlich betroffen seien von den Terrorangriffen der Hamas.« LINK

 

 

 

Schapira, Rabinovici, Dotan-Dreyfus, Mendel. Foto: Ali Ghandtschi

Tagesspiegel, Bericht von Gerrit Bartels, 18. Oktober 2023: »Alle drei sind sich einig darüber, dass die Terrorattacke eine Zäsur in der Geschichte Israels darstelle. Dass es jetzt wieder eine ›existentielle Angst‹ (Dotan-Dreyfuß) gebe, dass nun auch für in der Diaspora lebende Menschen jüdischer Herkunft so wie Rabinovici, Dotan-Dreyfuß und Mendel Israel kein sicherer Ort mehr sei, kein Zufluchtsort, angesichts des zunehmenden Antisemitismus beispielsweise in Berlin oder Wien, angesichts der pro-palästinensischen Demonstrationen.« LINK

taz, Beitrag von Ulrich Gutmair, 18. Oktober 2023: »Meron Mendel hat einen Jugendfreund verloren, Kinder von Freunden wurden ermordet. Es sei vermutlich richtig, dass das Massaker kontextualisiert werden müsse, sagte Mendel. Es falle ihm aber schwer zu kontextualisieren, wenn er an den Freund denke, mit dem er früher Basketball gespielt habe. Ihn treibe etwas anderes um: ›Mir fehlt gerade die Anerkennung des absolut Bösen – ohne Wenn und Aber.‹ Die drei Kibbuzim, die im Süden Israels zerstört worden sind, seien Symbole der absoluten Unmenschlichkeit. Deren Namen, Kfar Aza, Be’eri oder Nahal Oz, müssten für sich stehen – ›ohne dass Žižek mir erklären muss, dass ich kontextualisieren soll: Über Kfar Aza, Be’eri und Nahal Oz gibt es nichts zu diskutieren.‹« LINK

 

Im Publikum der Israel-Veranstaltung v.l.n.r.: Sophie Sumburane, Eva Menasse, Deniz Yücel (alle PEN Berlin), Claudia Roth (Kulturstaatsministerin), John Steinmark (Frankfurter Buchmesse). Foto: Ali Ghandtschi

Westdeutsche Allgemeine, Bericht von Jens Dirksen, 18. Oktober 2023: »Mit seinem Plädoyer allerdings, auch die palästinensische Seite zu sehen, war Žižek, der auch von einem angeblichen ›Analyseverbot‹ sprach, vielleicht nicht unbedingt im Irrtum, aber zur falschen Zeit am falschen Ort. Das wurde am Morgen drauf klar, als jüdische Linke bei einem Podiumsgespräch des PEN Berlin bekannten, wie einsam sie sich in den letzten Tagen gefühlt hätten. Ihnen fehlt oft ein klares Bekenntnis zum Existenzrecht Israels, oder wie Meron Mendel, Leiter des Anne-Frank-Bildungszentrums in Frankfurt, es ausdrückte: ›Einfach so Israel sagen, ohne ein Aber!‹« LINK

Frankfurter Allgemeine, Bericht von Florian Balke u.a., 18. Oktober 2023: »Mendel äußerte sich in einer Diskussionsrunde, die die Buchmesse nach dem Angriff der Hamas zusammen mit dem PEN Berlin unter dem Titel ›In Sorge um Israel‹ organisiert hatte. Be’eri, der Name eines der überfallenen Kibbuzim, in dem ein Fünftel der Bewohner ermordet worden sei, stehe als Wort für sich, sagte Mendel. Er wolle es aussprechen können, ›ohne dass Žižek mir erklärt, das muss kontextualisiert werden‹. Wenn man sich darüber einig sei, könne man über alles reden, auch über das, was Israel seit Jahren falsch mache.« LINK

 

 

 

Tomer Dotan-Dreyfus. Foto: Ali Ghandtschi

Börsenblatt, Bericht von Michael Roesler-Graichen, 18. Oktober 2023: »Für Tomer Dotan-Dreyfus geht mit dem 7. Oktober vor allem die Gewissheit verloren, nach Israel zurückkehren zu können, sollte es in Berlin oder andernorts zu schlimm werden. Die Sicherheit, die Israel bot, war immer so etwas wie eine Garantie für die Juden, die nicht in Israel leben. Das bedeutet auch: Wenn es in Deutschland Antisemitismus gibt, dann muss man das hier angehen. Moderatorin Esther Schapira zitierte Hannah Arendts Wort ›Vor Antisemitismus ist man nur noch auf dem Monde sicher.‹« LINK

Neue Osnabrücker Zeitung, Bericht von Stephan Lüddemann, 18. Oktober 2023: »Doron Rabinovici zeigte sich entsetzt darüber, dass in Wien palästinensische Demonstranten noch während der Mordtaten dieses Geschehen gefeiert hätten. Zugleich kritisierte er linke Intellektuelle, die sich zu keinem Zeichen der Solidarität mit den Opfern hätten aufraffen können. ›Teile der Linken haben einen merkwürdigen Reflex, wenn es um jüdisches Leben geht‹, sagte der Autor. ›Die jüdische Linke hat sich nichts vorzuwerfen‹, fügte Rabinovici an. Die Opfer des Massakers kämen gerade aus dieser Szene.« LINK

 

 

Esther Schapira, Doron Rabinovici. Foto [m]: Ali Ghandtschi

Frankfurter Rundschau, Bericht von Sandra Busch und Hanning Voigts, 18. Oktober 2023: »Mendel sagte, dass er in Gesprächen den Wunsch merke, ›dass mein Gegenüber die Existenz Israels anerkennt‹. Dass anerkannt werde, ›dass ich existiere‹. Rabinovici erläuterte, dass jüdisches Leben Jahrhunderte prekär gewesen sei. ›Israel hat Selbstbewusstsein gegeben‹, sagte Rabinovici. Dieses Selbstbewusstsein habe nun einen Knacks bekommen. Deshalb wollten die jüdischen Gemeinden hören, dass das Existenzrecht Israels anerkannt wird. ›Weil die jüdische Existenz seit Jahrhunderten in Zweifel gezogen ist.‹« LINK

nd, Bericht von Christof Meueler, 19. Oktober 2023: »Für Mendel ist aber klar: Hamas und Hisbollah wollten die Israelis nicht nur aus den besetzten Gebieten der Westbank vertreiben, sondern die Juden aus Israel. Deshalb sagt er: ›Israel, ohne Aber.‹ Und wenn ihn jemand verbessern möchte: ›Du meinst Palästina‹, dann sagt er: ›Nein, Israel‹. Die israelische Linke sei jetzt sehr einsam, konstatierte der Schriftsteller Tomer Dotan-Dreyfus, in seinen Internet-Medien habe er 40 Leute blockieren müssen.« LINK

Süddeutsche Zeitung, Bericht von Christiane Lutz und Marie Schmidt, 19. Oktober 2023: »Mendel spricht mit dem Autor Tomer Dotan-Dreyfus und dem Wiener Autor Doron Rabinovici zum Thema ›In Sorge um Israel‹, moderiert von Esther Schapira, die zuallererst zu einer Schweigeminute aufruft. Eine bedrückende Stunde, ganz der israelischen Perspektive gewidmet, in der die Podiumsgäste die eigene Sprachlosigkeit umrunden und sich gegen das kleine Wort ›aber‹ wehren.« LINK

Am Rande der Veranstaltung Meron Mendel im Gespräch mit Claudia Roth. Foto: Ali Ghandtschi

Welt, Beitrag von Mara Delius, 22. Oktober 2023: »Was darauf folgte, waren Tage, in denen sehr wohl über ein ›Aber‹ diskutiert wurde, jedoch nicht über ein relativierendes. Der Deutsch-Israeli Meron Mendel, der sich gleich bei mehreren Veranstaltungen von Žižek distanzierte, betonte, dass ein Kontextualisieren des Konflikts erst erfolgen dürfe, wenn es kein einschränkendes ›Aber‹ gebe – warum müssten Juden dafür kämpfen, dass das Abschlachten von Juden als solches gesehen werde?« LINK

Freitag Nr. 43/23, Beitrag von Jonathan Guggenberger, 26. Oktober 2023: »Schnell stellt man hier aber in Podiumsgesprächen wie ›In Sorge um Israel‹ des PEN Berlin fest: Der Scherbenhaufen ist ein Trümmerfeld, und noch dazu zu frisch, um es zu räumen. Zu frisch für vorschnelles Arrangieren und Verklären der Verbrechen, wie es Butler und Žižek in der Tradition deutscher Trümmerfrauen tun. Es ist vielmehr die Betonung des Bruchs, des notwendigen Wandels und des Einwirkens schmerzhafter Erfahrung, die von der Buchmesse hinausstrahlen und in den Diskurs einfließen sollte.« LINK

 

 

 

On the talk »The Loneliness of the Jewish Left«

Israel-Podium v.l.n.r.: Tomer Dotan-Dreyfus und Eva Menasse beim kurzfristig angesetzten Gespräch am Stand des PEN Berlin. Foto: Ali Ghandtschi

nd, Bericht von Christof Meueler, 22. Oktober 2023: »Es hätte jede jüdische Familie in Israel treffen können, sagte Tomer Dotan-Dreyfus zu Menasse und das mache ihn sprachlos. Trotzdem weigere er sich, die Hamas mit den Palästinensern gleichzusetzen. Mit Menasse war er sich einig, dass es ein großer Fehler war, die Auszeichnung von ›Eine Nebensache‹, des Romans der israelisch-arabischen Autorin Adania Shibli, die auf der Buchmesse erfolgen sollte, zeitlich zu verschieben. Menasse fand den Roman ›großartig‹ und Dotan-Dreyfus fand ihn zumindest nicht antisemitisch, was Maxim Biller dem Buch vorgeworfen hatte, da darin die israelischen Soldaten, die – nach einer wahren Geschichte – 1949 ein Beduinenmädchen vergewaltigen und schließlich töten, keine Gesichter hätten. ›Als ich Soldat war, hatte ich auch kein Gesicht, ich war eine Nummer«, meinte Dotan-Dreyfus.‹« LINK

 

 

 

 

On the panel »Hope for Russia?«

Bühne des Russland-Podiums v.l.n.r.: Claudia Roth, Michail Schischkin, Irina Scherbakowa, Dmitry Glukhovsky, Deniz Yücel. Foto: Ali Ghandtschi

Welt, Bericht von Marc Reichwein, 18. Oktober 2023: »Eine zweite Veranstaltung, die – moderiert vom PEN-Berlin-Sprecher und Welt-Autor Deniz Yücel – dem Krieg in der Ukraine gewidmet war und direkt nach der ›Sorge um Israel‹ stattfand, machte deutlich, wie wichtig es ist und wie groß die Herausforderung, bei der aktuellen Nachrichtenlage auch andere Konflikte nicht aus den Augen zu verlieren. Ein Panel, besetzt mit Irina Scherbakowa von der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten und in Russland verbotenen Menschenrechtsorganisation Memorial, mit den russischen Exil-Schriftstellern wie Michail Schischkin und Dmitry Glukhovsky sowie Kulturstaatsministerin Claudia Roth, wäre vor einem Jahr das Top-Podium des ersten Messetages gewesen. Jetzt war der Tross nicht weniger Journalisten, die zum Israel-Panel anwesend waren, schon wieder weitergezogen.« LINK

t-online, Bericht von Madlen Trefzer, 18. Oktober 2023: »›Letztes Jahr saß ich auf dieser Bühne und dachte, dass es schlimmer nicht kommen kann. Heute sitze ich hier und habe das Gefühl, dass das mit Israel und Gaza erst der Anfang ist.‹ Die traurigen Worte Michail Schischkins hallen durch das Frankfurter Pavillon auf der Buchmesse 2023. Während dieses Gesprächs am ersten Messetag stehen russische Autoren im Exil im besonderen Fokus.« LINK

Berliner Zeitung, Bericht von Cornelia Geißler, 18. Oktober 2023: »Beide Schriftsteller werden gefragt, wie es um ihre Kontakte zu ukrainischen Kollegen steht, beide haben erlebt, dass sie nun als Vertreter des Aggressors eingeordnet werden, kein Ukrainer würde derzeit auf eine Bühne mit ihnen gehen. Da zählt nicht, dass Glukhovsky in Moskau in Abwesenheit zu acht Jahren Straflager verurteilt worden ist. Und beide sagen auch, dass ihre privaten Freundschaften weiterhin Bestand haben. Die Historikerin Irina Scherbakowa fegt jedes ›Aber‹, das der Ukraine Ausgrenzung vorwerfen könnte, vom Podium. Ganz sachlich erklärt sie: ›Die Ukrainer werfen uns vor, dass wir nicht genug gegen Putin gekämpft haben, was die Wahrheit ist, was eine absolute Wahrheit ist.‹ Sie ist Gründungsmitglied der in Russland verbotenen Menschenrechtsorganisation Memorial, die 2022 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Scherbakowa beobachtet, dass es auf russischer Seite auch unter Exilanten zu oft an Empathie fehle. ›Die Emigration ist kein Honigschlecken, dennoch müssen wir zuerst sehen, was der Ukraine angetan wird.‹« LINK

taz, Bericht von Jens Uthoff, 19. Oktober 2023: »Auch über den imperialen Charakter der klassischen russischen Literatur wird diskutiert, der Name Puschkin fällt. Schischkin meint, die ›Verantwortung der russischen Literatur ist kompliziert‹ und brauche viel mehr Raum, während Glu­khovsky glaubt, klassische russische Literatur sei ganz wesentlich eine humanistische, weil sie oft auf der Seite des ›einfachen Mannes‹ stehe.« LINK

Michail Schischkin, Irina Scherbakowa. Foto: Ali Ghandtschi

dpa, Bericht von Sandra Trauner, von der Süddeutschen Zeitung, 18. Oktober 2023: »Andere Themen hatten es dagegen schwer am ersten Messetag – etwa der Krieg Russlands gegen die Ukraine, der die Messe im Vorjahr dominiert hatte. Russische Intellektuelle haben wenig Hoffnung auf eine positive Veränderung unter Putin, wie eine Podiumsdiskussion zum Thema ›Hoffnung für Russland‹ ergab. ›Es gibt keine andere Chance, als dass Russland den Krieg gegen die Ukraine verliert. Wenn das nicht geschieht, sehe ich schwarz‹, sagte die Menschenrechtsaktivistin Irina Scherbakowa.« LINK

dpa, Bericht von Sandra Trauner, hier bei Zeit-Online, 18. Oktober 2023: »Kulturstaatsministerin Claudia Roth betonte, ›dass die russische Sprache nicht das Eigentum von Putin ist‹. Boykott-Aufrufe seien der falsche Weg. ›Es gibt das andere Russland – und dem müssen wir seine Stimmen geben.‹« LINK

 

 

 

On Panel »Oh Boy, Com’on!«

24Books, Bericht von Janine Napirca, 6. November 2023: »Mithu M. Sanyal begrüßt die entstandene Debatte um das umstrittene Buch. Was sie allerdings schwierig finde, sei das Ergebnis, dass Bücher vom Markt gezogen würden: ›Wir fangen an zu reden, das ist super, aber wir hören dann ja damit auf. Das ist eine Debatte, die direkt das Ende einer Diskussion war. Aber ich hätte gerne eine Debatte gehabt, die der Anfang einer Diskussion gewesen wäre.‹ Jayrôme C. Robinet wünscht sich, dass ›Schriftsteller*innen sich ihrer Freiheit bewusst sind, aber auch ihrer Verantwortung‹.« LINK

On the reading from Adania Shibli’s novel »Minor Detail« 

Lesung aus Adania Shiblis Roman »Eine Nebensache« v.l.n.r: Deniz Yücel, Sasha Marianna Salzmann, Tomer Dotan-Dreyfus, Eva Menasse, Julia Franck, Deborah Feldman, Dana Vowinckel. Foto: Ali Ghandtschi 

Zeit-Online, Beitrag von Iris Radisch, 21. Oktober 2023: »Die Preisverleihung wurde, auch nach einer massiven Kritik an dem Roman (…) bereits vor Messebeginn verschoben. Dagegen gibt es weltweiten Protest. Vom PEN Berlin, der auf der Messe eine Lesung mit Shibli organisiert hat; und von Hunderten Autorinnen und Autoren, unter anderem von den Literaturnobelpreisträgerinnen Annie Ernaux und Olga Tokarczuk, die mittlerweile einen offenen Brief ›zur Unterstützung von Adania Shibli‹ unterzeichnet haben.« LINK

dpa, Bericht von Sandra Trauner, hier beim Deutschlandfunk, 21. Oktober 2023: »Autorinnen und Autoren haben auf der Frankfurter Buchmesse aus dem Roman ›Eine Nebensache‹ der palästinensischen Autorin Adania Shibli gelesen. Die Schriftstellervereinigung PEN Berlin wollte mit der kurzfristig eingeschobenen Veranstaltung dem Roman ›eine Bühne geben‹, wie Deniz Yücel, einer der beiden Sprecher, sagte.« LINK

 

 

 

 

Deborah Feldman, Dana Vowinckel. Foto: Ali Ghandtschi 

Süddeutsche Zeitung, Bericht von Christiane Lutz, 22. Oktober 2023: »Diese Lesung solle ›keine Solidaritätslesung‹ sein, das macht Deniz Yücel gleich zu Beginn im Frankfurt-Pavillon klar. Man wolle ›die Literatur sprechen lassen‹. Der PEN Berlin, der die Veranstaltung auf der Frankfurter Buchmesse eilig organisiert hatte, wolle dem Roman von Adania Shibli eine Bühne geben. ›Keine Solidaritätslesung‹, weil man mit dem Begriff ›Solidarität‹ mit Bedacht umgehe, sagt Yücel: ›Solidarität (…) ist dann geboten, wenn jemandem gravierendes Unrecht geschieht, so gravierend und grundlegend, dass andere, die untereinander sonst nicht viel verbindet, an diesem Punkt zusammenfinden und Solidarität (…) leisten können.‹ Eine verschobene Preisverleihung sei keine solche gravierende Verletzung von Menschenrechten.« LINK

 

 

 

 

Tomer Dotan-Dreyfus, Sasha Marianna Salzmann. Foto [m]: Ali Ghandtschi

Tagesspiegel, Beitrag von Gerrit Bartels, 21. Oktober 2023: »Wie sagte es PEN-Berlin-Sprecher Deniz Yücel noch, als er Bezug nahm auf die gewalttätigen ›Free-Palestine‹-Demos in Deutschland:  Was fehlt sind palästinensische oder arabische Stimmen, Intellektuelle, Künstler, Aktivisten, (…), die ihre Stimme erheben für eine friedliche Koexistenz von Israelis und Palästinensern, für Mäßigung, Austausch, gegen Hass und Gewalt. (…), die die Führungen weder säkularen noch religiösen Radikalen auf der Straße überlassen.‹« LINK

ORF.at, Bericht, 21. Oktober 2023: »Kosprecherin Eva Menasse verlas ein Grußwort der Schriftstellerin: ›Aus meinem traurigen Schweigen heraus danke ich Ihnen, euch und dem Publikum. Diese Zuwendung bestätigt mir, dass Literatur für viele von uns eine Lebensader ist.‹ Neben Menasse lasen Deborah Feldman (›Unorthodox‹), Tomer Dotan-Dreyfus (›Birobidschan‹), Sasha Marianna Salzmann (›Außer sich‹), Julia Franck (›Die Mittagsfrau‹) und Dana Vowinckel (›Gewässer im Ziplock‹).« LINK

 

 

Julia Franck, Eva Menasse. Foto [m]: Ali Ghandtschi

Zeit-Online, Bericht von Maja Beckers, 22. Oktober 2023: »Das Wort Solidarität wolle man mit Vorsicht führen, es setze ein großes Unrecht voraus, das jemandem geschehe, sagt Yücel. Eine verschobene Preisverleihung gehört offenbar nicht dazu. ›Es gibt kein Menschenrecht auf einen Literaturpreis‹, sagt Yücel. Und vielleicht hängt diese Vorsicht auch damit zusammen, dass Shibli sich selbst zu den Vorwürfen gegen sie persönlich, ihre politische Haltung gegenüber der je nach Betrachtung entweder antiisraelischen oder antisemitischen BDS-Bewegung sowie gegenüber dem Terror der Hamas nicht geäußert hat.« LINK

 

On the postponed award ceremony for Adania Shibli

DLF Kultur, Lesart, Interview von Andrea Gerk mit Deniz Yücel, 12. Oktober 2023: »Die Freiheit des Wortes ist keine Widerspruchsfreiheit. Aber es muss möglich sein, so viel wie möglich zu sagen. (…) Um dann auch sagen zu können: ›Hier ist eine Grenze erreicht. Das geht nicht!‹ Diese Grenzen muss man so weit wie möglich auslegen, um sie dann so einvernehmlich wie möglich zu ziehen und zu sagen: ›Wenn du hier Massenmord feierst, dann ist es mir egal, wer du bist und woher du kommst. Das ist indiskutabel und das muss Konsequenzen haben, auch vereinsrechtliche, strafrechtliche, ausländerrechtliche.‹ Aber das bedeutet zugleich, dass Diesseits einer solchen Grenze so viel wie möglich sein muss, auch im Diskurs, auch im Streit. Etwa, was in diesen Tagen diskutiert wird: die Preisverleihung auf der Frankfurter Buchmesse für die israelisch-palästinensische Autorin Adania Shibli, die für ihr Buch ›Eine Nebensache‹ ausgezeichnet werden soll.« LINK und AUDIO

DLF Kultur, Meldung, 13. Oktober 2023: »Auf der Frankfurter Buchmesse sollte die palästinensische Schriftstellerin Adania Shibli nächste Woche eigentlich mit einem Preis geehrt werden. Nun verschiebt der Verein Litprom die Verleihung wegen der Terrorangriffe der Hamas auf Israel. Niemand fühle sich derzeit zum Feiern, begründete Litprom die Entscheidung, die demnach gemeinsam mit Shibli getroffen wurde. (…) Ihr Roman ›Eine Nebensache‹ war hoch gelobt worden. Zuletzt gab es aber immer mehr Kritik an der Auszeichnung. Shiblis Buch behandelt die historisch verbürgte Vergewaltigung und Tötung einer jungen Beduinin durch israelische Soldaten im Jahr 1949. Die Sprecherin der Autorenvereinigung PEN-Berlin, Eva Menasse, hatte gefordert, den Preis wie geplant zu vergeben. Ihn Shibli zu entziehen ›wäre politisch wie literarisch grundfalsch‹.« LINK

dpa-Bericht von übernommen u.a. von der Welt, 13. Oktober 2023: »Der zweite Sprecher Deniz Yücel ergänzte: ›Man kann die Darstellungen des Romans für treffend oder zu einseitig halten. Jedenfalls ist ›Eine Nebensache‹ weit von den eindeutig antisemitischen Zeichnungen entfernt, die auf der documenta zu Recht für Kritik sorgten.‹« LINK

epd-Bericht, übernommen u.a. von Tagesschau.de, 13. Oktober 2023: »Der Schriftstellerverband PEN Berlin forderte, an der Preisvergabe festzuhalten. ›Kein Buch wird anders, besser, schlechter oder gefährlicher, weil sich die Nachrichtenlage ändert. Entweder ist ein Buch preiswürdig oder nicht‹, sagte die Sprecherin des Verbands, die Autorin Eva Menasse. Die im Juni bekannt gegebene Entscheidung für Shibli sei eine ›sehr gute‹. Nach dem Massenmord der Hamas an Hunderten Zivilisten fehle es auffällig und schmerzlich an palästinensischen und arabischen Stimmen, die diese Verbrechen mit unmissverständlichen Worten verurteilten, bedauerte Menasse. Aber sie müssten ihre Erfahrungen mit der israelischen Besatzungspolitik beschreiben dürfen, unter der die Palästinenser litten, wie Shibli es in ihrem Roman schildere.« LINK

Süddeutsche Zeitung, Bericht von Felix Stephan, 13. Oktober 2023: »Unterstützung für das Werk kommt hingegen unter anderem vom Schriftstellerverband PEN Berlin. Die Schriftstellerin Eva Menasse sprach sich dafür aus, den Preis wie geplant zu vergeben. Kein Buch werde besser oder schlechter, wenn sich die Weltlage ändere. PEN-Berlin-Präsident Deniz Yücel ergänzte: ›Die Buchmesse sollte der Ort sein, solche Debatten zu führen – und nicht, sie abzuwürgen.‹ Was also ist das für ein Buch?« LINK

Berliner Zeitung, Bericht von Susanne Lanz, 13. Oktober 2023: »Yücel ergänzte: ›Wir haben immer gesagt, dass die Freiheit des Wortes auch das dumme Wort umfasst, die Freiheit der Kunst auch jene der bescheuerten Kunst. Natürlich gibt es Grenzen. Aber um unverrückbare Grenzen zu ziehen und in eindeutigen Fällen wie bei Jubelfeiern für einen Massenmord in aller Deutlichkeit und gegebenenfalls vereins-, straf- und ausländerrechtliche Konsequenzen anzuwenden, muss diesseits dieser Grenze so viel wie möglich sagbar sein.‹ Das gelte für den Umgang mit dem Nahost-Konflikt wie für alle anderen kontroversen Themen. ›Dass etwas sagbar sein muss, bedeutet nicht, dass es außerhalb der Kritik steht.‹« LINK 

Freitag, Kommentar von Thomas Hummitzsch, 16. Oktober 2023: »Auch international überzeugte Shiblis Werk, die englische Übersetzung war für den National Book Award und den International Booker Prize nominiert. Entsprechend verwundert rieb sich Iris Radisch in der vergangenen Woche die Augen, ›wie bedenkenlos ein Roman einer palästinensischen Autorin plötzlich in die unmittelbare Nachbarschaft der aktuellen Massenmorde der Hamas gestellt wird.‹ (…) Selbst der PEN Berlin schaltete sich ein und forderte, den Preis an Shibli zu verleihen. Die kleinlaute Aufschiebung der Preisverleihung ist das vorläufige Ende einer Debatte, aus der alle beschädigt hervorgehen. Eine leise Autorin, die unverschuldet zur politischen Akteurin gemacht wird. Ein preiswürdiger Roman, dessen literarische Qualität aus dem Blick gerät. Ein engagierter Verein, der dem medialen Druck nicht gewachsen ist. Und eine internationale Messe, die bereits die ersten Absagen arabischer Verlage erhalten hat.« LINK

Tagesspiegel, Bericht von Gerrit Bartels, 16. Oktober 2023: »Eine zusätzliche Veranstaltung konnte die Messe zusammen mit dem PEN Berlin organisieren. Unter dem Titel ›In Sorge um Israel‹ diskutieren gleich am Mittwoch früh um 10 Uhr 30 im Frankfurt Pavillon auf der Agora der Schriftsteller Tomer Dotan-Dreyfus, die Soziologin Eva Illouz, der Publizist und Direktor der Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel sowie der Schriftsteller und Historiker Doron Rabinovici die Situation Israels nach dem Hamas-Angriff wird. Abgesagt dagegen wurde die Verleihung des LiBeraturpreises 2023 an die palästinensische Schriftstellerin Adania Shibli, nachdem es eine Debatte über diesen Preis an ihren Roman ›Eine Nebensache‹ und vermeintlich explizit antiisraelische, gar antisemitische Narrative darin gegeben hatte. Noch bevor die Verleihung auf einen noch unbestimmten Termin verschoben worden war, hatte der PEN Berlin sich gegen diese Absage ausgesprochen, gerade weil es nach dem Massenmord der Hamas ›auffällig und schmerzlich an palästinensischen und arabischen Stimmen‹ fehlen würde, ›die diese Verbrechen mit unmissverständlichen Worten verurteilen‹, so der PEN Berlin in einer Mitteilung.« LINK

Frankfurter Allgemeine, Bericht von Niklas Maak, 16. Oktober 2023: »Mehr als 600 Schriftsteller, Autoren und Mitarbeiter aus dem Literaturbetrieb kritisieren in einem offenen Brief die Frankfurter Buchmesse für die Verschiebung des ›LiBeraturpreises‹, den die palästinensische Autorin Adania Shibli für ihren Roman ›Eine Nebensache‹ erhalten sollte. (…) Unter den Kritikern befinden sich unter anderen die Nobelpreisträger Abdulrazak Gurnah, Annie Ernaux und Olga Tokarczuk, dazu Theoretikerinnen wie Judith Butler und die Schriftstellerin Eva Menasse.« LINK

Arablit, Bericht von Katharine Halls, 17. Oktober 2023: »Arabic-German translator and literary agent Sandra Hetzl, founder of teneleven, was among the signatories. She said that recent events had made her question her role as a bridge between Arabic and German literatures. ›Working in this field, I feel trapped in a sick mechanism of conditionality in which Arab authors are subjected to constant suspicion and scrutiny. The second they confirm these suspicions, for instance by writing in ways that challenge German narratives, they’re deemed guilty.‹« LINK

WDR3, Resonanzen, Interview mit Deniz Yücel, 18. Oktober 2023: »Natürlich muss sich niemand zu etwas äußern, auch Schriftsteller nicht. (…) Was dabei wichtig ist, ist die Glaubwürdigkeit. (…) Ich finde es problematisch, dass sehr viele arabische, palästinensische Intellektuelle die Luftschläge Israelis heftig kritisieren, zum Angriff der Hamas aber im besten Fall nichts sagen. Da stimmt etwas nicht.« LINK und AUDIO

Deutsche Welle, Bericht von Nikolas Fischer, 19. Oktober 2023: »In einem offenen Brief, (…) den mehr als 1200 Autoren, Redakteure und Verleger (….) unterzeichnet haben, muss sich der Organisator des deutschen LiBeraturpreises, der gemeinnützige Verein Litprom, der unter anderem durch die Frankfurter Buchmesse unterstützt wird, Vorwürfe gefallen lassen. (…) Zuvor hatte sich schon der Autorenverband PEN Berlin zur Kritik an dem Buch geäußert. ›Kein Buch wird anders, besser, schlechter oder gefährlicher, weil sich die Nachrichtenlage ändert‹, so PEN-Berlin-Sprecherin Eva Menasse. ›Entweder ist ein Buch preiswürdig oder nicht. Die schon vor Wochen getroffene Entscheidung der Jury für Shibli war nach meinem Dafürhalten eine sehr gute. Ihr den Preis zu entziehen, wäre politisch wie literarisch grundfalsch.‹« LINK.

Radio Eins (RBB), Die schöne Woche, Interview von Uwe Wichert mit Eva Menasse, 20. Oktober 2023: »Ich bin nicht empört, mir ist sowieso viel zu viel Empörung in der Welt. Ich möchte einfach in aller Ruhe sagen können, dass ich das für eine ganz falsche Entscheidung halte. (…) Man hat ja gesehen, was ist passiert ist: Man setzt die Preisverleihung aus oder verschiebt sie und es gibt die andere Empörung. Ich finde, man sollte bei den Entscheidungen bleiben, die man einmal getroffen hat. Und diese Entscheidung war: Das ist ein preiswürdiges Buch und wir vergeben den Preis.« LINK und AUDIO

epd, Bericht, übernommen u.a. von Evangelisch.de, 20. Oktober 2023: »Institutionen in Deutschland setzen nach Ansicht der Schriftstellerin Eva Menasse autoritären Angriffen nicht mehr genug Widerstand entgegen. Sie gäben zu schnell auf, sagte Menasse bei der Podiumsdiskussion ›Autoritäre Strategien und demokratische Resilienz‹ auf der Buchmesse in Frankfurt am Main. Menasse nannte als Beispiele die Verschiebung der Verleihung des LiBeraturpreises an die palästinensische Autorin Adania Shibli (…) sowie die Absetzung von Podien durch Universitäten infolge von Empörung wegen Personen, die dort sprechen sollten. ›Was ich in den vergangenen Jahren gesehen habe, war Feigheit von Institutionen‹, kritisierte Menasse.« LINK

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