Erster Kongress des PEN Berlin: »Der Trick ist zu reden«
2. Dezember 2022, Festsaal Kreuzberg, Berlin
Eröffnungsrede von Eva Menasse: Meinungsfreiheit − der Kanarienvogel im demokratischen Schacht

»Ich bin davon überzeugt, dass einer Organisation wie dem PEN eine wichtige Aufgabe auch darin zukommt, den Austausch von Schriftstellern gerade aus diesen beiden Ländern nicht versiegen zu lassen. (…) Deshalb sind in Zeiten des Krieges die Gespräche, die nur außerhalb des Kriegsgebiets geführt werden können, ein hohes Gut. Sie weiterhin zu ermöglichen, muss unser Ziel bleiben. Und daher müssen wir immer wieder neu ansetzen, neue Möglichkeiten dafür schaffen, neue Formate. Gerade eine verunglückte Diskussion darf nie ein Endpunkt, sondern muss immer der Ansporn sein, es beim nächsten Mal besser zu machen.« GANZE REDE
Festrede von Ayad Akhtar: Ein Klima digitaler Einschüchterung

»Obwohl öffentliche Rede in gewisser Hinsicht eindeutig freier geworden ist, befinden wir uns heute in den USA mitten in einem kulturellen Wandel hin zu einem Diskurs voller strafbewehrter Verbote. Die gegenwärtige Identitätspolitik zwingt uns widersprüchliche moralische Landkarten auf, die bestimmen, welche Rede für welche Gruppe akzeptabel ist und welche nicht. Zunehmend macht sich ein Klima digitaler Einschüchterung breit, und mit ihm die Angst, frei zu sprechen oder auch nur frei zu denken. Im Aufstieg begriffen ist zudem eine tiefe, weitverbreitete Intoleranz gegenüber Ansichten, die für inakzeptabel oder sogar ›unmoralisch‹ gehalten werden.« GANZE REDE
Videobotschaft von Serhij Zhadan: Uns steht ein harter Winter bevor
Botschaft zur Kampagne »Feuerwehrautos für Charkiw«: »Dies sind sehr schwierige Zeiten. Aber wir müssen sie überleben. Überleben, um weiterhin in unserem Land zu leben und unsere Städte wieder aufzubauen. Ich danke Ihnen für Ihre Solidarität.« VIDEO
Keynote von Herbert Wiesner zu Georges-Arthur Goldschmidt: Von den Qualen des Überlebens

»Goldschmidt hat das literarische Referenzsystem seines Schreibens abgesteckt, auf Sigmund Freuds Text ›Ein Kind wird geschlagen‹ verwiesen, auf Handkes ›Kaspar‹, Rousseaus ›Confessions‹ und immer wieder auf den Roman ›Anton Reiser‹ von Karl Philipp Moritz. Auch ›À rebours‹ von Joris-Karl Huysmans, wiederentdeckt von Michel Houellebecq, zählt zu diesem System, in dem der Masochismus als ein Akt der ›Integration‹ begriffen wird: Erst wenn der Geschlagene Lust erfährt, gewinnt er sein Selbst zurück. Ganz am Ende des ergreifenden Buchs scheint selbst dieser Ausweg ins Überleben als ein Schuldigwerden gegenüber einem von der SS hingerichteten Mitschüler Arthur Kellerlichts.« GANZE REDE
Kongressszenen
1 Fernsehbericht des RBB
RBB [TV], Abendschau, Bericht von Antje Tiemeyer, 2. Dezember 2022: »[Karen Köhler:] ›Ich habe mich dafür eingesetzt, weil ich im PEN Deutschland nicht mehr wiedergefunden und repräsentiert gefühlt habe, und ich das Gefühl hatte, sehr viel Energie, die eigentlich nach außen gerichtet sein könnte, um sich politisch zu engagieren für verfolgte Autor:innen, verpufft im Internen.‹ Moderator Michel Friedman sieht den neuen Verein nicht als Konkurrenz zum PEN Deutschland: ›Das ist eine Ergänzung, da ist es nicht entweder oder. Sondern es gibt zwei, sowohl als auch. Und ich finde, eine künstliche Konkurrenz ist gar nicht nötig.‹« VIDEO
1 Interview mit Ayad Akhtar
3Sat, Kulturzeit, Gespräch von Cécile Schortmann mit Ayad Akhtar, Präsident des PEN America und Festredner auf dem Kongress, 2. Dezember 2022: »Die Firmen, die die sozialen Medien besitzen, haben ein Aufmerksamkeitsmodell geschaffen, wo die freie Sprache in der Welt in Kategorien sortiert wird. Das Wort, das Emotionen hervorruft, das Leute wütend macht oder wo Leute sich plötzlich aufgeregt fühlen, diese Posts werden in großem Maße herausgedrückt. Und dann wird das monetarisiert durch das Geschäftsmodell. Das schafft eine toxische Umgebung, wo viele Leute nur das hören, was sie hören wollen – oder was sie absolut nicht hören wollen, wo sie denken: Das ist falsch. Und Meinung bietet plötzlich die Matrix, nach der die Menschen verstehen, was für sie Realität ist.« VIDEO
Umfrangreiche Medienberichterstattung zum Kongress
Programm
14.00 Eröffnung: Eva Menasse
14.30 Die Poesie des Scheiterns – Fuck up hour
Mit: Adriana Altaras, Konstantin Küspert, Jo Lendle, Jackie Thomae. Moderation: Simone Buchholz
15.45 Gewalt, Erinnerung, Literatur
Keynote: Herbert Wiesner zu Georges-Arthur Goldschmidt
Podium: Tomer Gardi, Ursula Krechel, Khuê Phạm, Meral Şimşek. Moderation: Michel Friedman
17.15 Wer zuerst schießt – was (uns) die Freiheit des Wortes bedeutet
Mit: Jan Fleischhauer, Karen Köhler, Ijoma Mangold, Manja Präkels. Moderation: Thea Dorn
20.00 Festrede: Ayad Akhtar, Präsident PEN America
21.00 Konzert: MUFF POTTER
22.30 Disko Inferno
Mit: Doris Akrap, Imran Ayata, Ulrich Gutmair, DJ Rolandsbogen
Gefördert von

