Archiv 2022

Debatte nach Gründung des PEN Berlin (»Muss das sein?« – »Ja, muss.«)

RBB [Fernsehen], Das Magazin, Gespräch von Franziska Hessberger mit Eva Menasse und Deniz Yücel, 18. Juni 2022: »[Mod.:] ›Warum braucht Deutschlands zwei PENs?‹ – [Menasse:] ›Deutschland braucht einen guten, funktionierenden, friedlichen PEN, der arbeiten kann.‹ – [Yücel:] ›Was wir schon gerne hätten, sind Mittel, um die praktische Solidarität mit Kolleginnen und Kollegen zu organisieren. Dafür braucht es Geld, klar. Aber wir konkurrieren nicht um diesen Haushaltsposten bei der Bundeskulturbeauftragten.‹« VIDEO

 

Tagesspiegel, Beitrag von Martin Schult und Moritz Rinke, 11. Juni 2022: »[Schult]: ›Der einhundertjährige PEN ist nicht nutzlos, aber der Motor stottert, das Steuerrad klemmt und einige aus der Mannschaft hat man wissentlich vergrault.‹ [Rinke]: ›Ich hatte mich schon Wochen vor Gotha für meine PEN-Mitgliedschaft geschämt (…) Es ging mit dieser Debatte um die Flugverbotszone über der Ukraine los, die der PEN-Präsident auf einem Podium erwogen hatte und danach von den Altpräsidenten aufgerufen wurde, zurückzutreten. Als dann herauskam, dass sie, einige Vizepräsidenten und der Generalsekretär (…) den Rücktritt offenbar gar nicht wegen der Flugverbotszone gefordert hatten, sondern weil der neue Präsident sie intern als ›Flusspferde‹ oder ›Silberrücken‹ oder als beides bezeichnet haben soll, schämte ich mich noch mehr.‹« LINK [€]

RBB 24 Inforadio, Starke Sätze, Gespräch von Nadine Kreuzahler mit Antje Rávik Strubel, 12. Juni 2022: »Es braucht im Moment einen neuen PEN, weil die Versuche, den bisher bestehenden PEN zu reformieren (…) gescheitert sind. Die Probleme gibt es schon etwas länger. (…). Und dann ist die Frage: Wie lange will man sich mit sich selbst beschäftigen und nicht die Aufgaben des PEN, nämlich die verfolgten Journalist:innen und Autor:innen angehen?« AUDIO

ARD, titel, thesen, temparemente, Beitrag Max Burk, 26. Juni 2022: »[Eva Menasse:] ›Ich verstehe nicht, warum dauernd Journalisten danach fragen, was wir anders machen. Wir machen nichts anders, wir wollen funktionieren. Wir wollen arbeiten. Wir wollen uns nicht in Antragsgeschichten erschöpfen und darin, dass sich alle Mitglieder gegenseitig mit Klageandrohungen überziehen. Das ist der Unterschied.‹ – [Josef Haslinger:] ›In diesem Fall ist Deniz Yücel ein Spalter. Weil: das war nicht unbedingt nötig, den PEN zu spalten. (…) Ich bin zunächst einmal gescheitert. Denn meine Aufgabe habe ich nicht so gesehen, die Spaltung des PEN-Clubs gut über die Bühne zu bringen, sondern eine Spaltung zu verhindern.‹ [Nora Bossong:] ›In dem Moment lassen wir denen, die an dem alten PEN absolut keine Reform wollen, diesen Verein. Dann sollen die damit glücklich werden. Und wir machen den Verein so, wie wir uns ihn wünschen und vorgestellt haben. Und das, finde ich, ist die diplomatischste Lösung, die man in so einem Streitfall noch finden kann.‹« LINK und VIDEO

Hannoversche Allgemeine, Bericht von Stefan Gohlisch, 13. Juni 2022: »Gabriele Jaskulla war entsetzt. Von einer Auslandsreise in New York aus verfolgte die hannoversche Autorin online, wie sich das PEN-Zentrum Deutschland bei seiner Tagung in Gotha Mitte Mai selbst zerlegte und seinen gerade einmal ein Jahr zuvor gewählten Präsidenten Deniz Yücel demontierte. ›Ich habe so etwas noch nicht erlebt und mich gefragt: Glaube ich noch an die Reformierbarkeit dieses Vereins?‹, sagt sie und beantwortet die Frage selbst: ›Eindeutig nicht.‹ Nun gehört Jaskulla – wie fünf weitere Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus Hannover – zu den Gründungsmitgliedern von PEN-Berlin.« LINK [€]

Frankfurter Allgemeine, Beitrag von Petra Morsbach, 13. Juni 2022: »Die Satzung des PEN Berlin hat aus der Satzung des alten PEN ein heikles Instrument übernommen: Paragraph 6 d) der neuen wie Paragraph 11 der alten Satzung erlaubt es, Mitglieder auf Antrag hinauszuwerfen. (…) Ein volatiles Gremium begründet die Entscheidung, zum Vollzug reicht in Berlin die absolute Mehrheit (Darmstadt: Zweidrittelmehrheit). Wozu diese jakobinische Klausel?« LINK [€]

Börsenblatt, Interview mit Eva Menasse, 13. Juni 2022: »Wir werden arbeiten und funktionieren und im Namen verfolgter Schriftsteller:innen zusammenhalten und -arbeiten, über alle individuellen Meinungsverschiedenheiten hinweg. Denn die, die sich bei uns versammelt haben, sehen die Lage verfolgter Autor:innen als deutlich wichtiger an als selbstbezügliches Vereins-Kleinklein.« LINK und PDF

Die Zeit Nr. 25/22, Beitrag von Volker Weidermann, 14. Juni 2022: »Es geht um ein gemeinsames, lautstarkes, weithin vernehmbares starkes Forum der Freiheit des Wortes. Kurzfristig war diese Spaltung wohl nötig, um sinnlose und kraftraubende interne Kämpfe zu beenden. Wann hat es so eine gemeinsame Aufbruchstimmung in der deutschen Literatur zuletzt gegeben?« LINK [€]

faust-kultur, Beitrag von Harry Oberländer, 15. Juni 2022: »Ich habe selten mehr Freude an Zukunft und Veränderung erlebt als in dieser von Minute zu Minute größer und gewichtiger werdenden Schar derer, die eine Neugründung den Reha-Bemühungen des in die Jahre gekommenen PEN Darmstadt vorziehen. Ich sage hier einmal ›ich‹, denn ich bekenne gerne, zu den Gründern von PEN Berlin zu gehören.« LINK

Frankfurter Allgemeine, Beitrag von Bernhard Schlink, 15. Juni 2022: »In der Tat wurde dieser Reformvorschlag im PEN bisher nie erörtert. Er wurde bisher aber auch nie vorgebracht, wie auch keine anderen Reformvorschläge vorgebracht wur­den. Was die Berliner Gründung trägt, ist nicht ein enttäuschtes Reformbedürfnis, sondern sind die Menschen und ein vages Gefühl von Aufbruch, Veränderung und Erneuerung.« LINK [€]

junge Welt, Kommentar von Jan Decker, 15. Juni 2022: »Der PEN Berlin möchte sich absetzen von einer unterstellten selbstverliebten Bräsigkeit des alten Vereins. Mir erscheint das PEN-Zentrum Deutschland, dessen Mitglied ich bin, aber gar nicht so undemokratisch (…) Beim PEN Berlin handelt es sich für mich schon eher um ein Netzwerk der Hauptstadt- schreiberinnen und -schreiber: Jeder darf mitmachen, doch wenn die ›namhaften‹ Berliner Kolleginnen und Kollegen einen nicht auf ihrer In-Liste haben, schaut man in die Röhre.« LINK [€]

Der Freitag Nr. 24/22, Kommentar von Jörg Magenau, 15. Juni 2022: »In einer Gesellschaft, deren Social-Media-gespeiste Öffentlichkeit eher an einem Zuviel als an zu wenig Bekundungsfreude leidet, kann es auch im PEN nicht einfach nur um Diversität gehen. Woran es mangelt, ist etwas substanziell anderes, was man vor hundert Jahren vielleicht als ›Geist‹ bezeichnet hätte: also ein offenes Denken im nicht bloß Meinungshaften, das den intellektuellen Austausch sucht und Räume für Denkmöglichkeiten öffnet.« LINK

Der Freitag Nr. 24/22, Interview von Katharina Schmitz und Leander F. Badura mit Simone Buchholz und Jan Fleischhauer, 15. Juni 2022: »[Buchholz:] ›Die alte Struktur nur zu zerstören, wäre destruktiv gewesen. Aber eine neue Struktur aufzusetzen mit Ideen und Grundsätzen, die eine moderne Struktur braucht, ist doch sauber, nicht destruktiv.‹ [Fleischhauer:]: ›Im Leben jedes Deutschen kommt der Punkt, wo er einem Verein beitritt. (…) Ich freue mich jetzt erst mal auf den großen Gründungskongress im November.(…) Wenn der PEN mich ruft, bin ich natürlich da. Vielleicht Schatzmeister? An mir soll’s nicht liegen.‹« LINK [€] und PDF

DLF Kultur, Fazit, Gespräch von Marietta Schwarz mit Maxi Obexer, 16. Juni 2022: »Ich denke, an vielen Punkten, die einem gleich wichtig sind, kann aber sehr gut miteinader arbeiten. Im Moment ist die Situation nicht. Im Moment herrscht Hass, Feindseligkeit, Destruktion. Ich teile aber auch nicht diese Freude am Niedergang; ich möchte, dass sich dieser alte PEN reformiert.« LINK und AUDIO

Süddeutsche Zeitung, Bericht von Miryam Schellbach, 16. Juni 2022: »Nur vier Wochen nach ihrer Wahl zur Co-Präsidentin des PEN-Zentrums Deutschland ist die Schriftstellerin Maxi Obexer bereits wieder zurückgetreten. (…) ›Ich dachte, man könnte mit Vernunft die notwendige Reform beginnen‹, sagte sie der SZ: ›Jede Struktur ist an sich reformfähig, aber die reformresistenten, herrisch auftretenden Männer dominieren im PEN-Zentrum Deutschland.‹« LINK

taz, Beitrag von Dirk Knipphals, 17. Juni 2022: »In der FAZ hat Andreas Platthaus den neugegründeten PEN Berlin gleich mal als ›PEN Yücel‹ denunziert, als ginge es nur darum, das in Gotha vermeintlich gekränkte Ego von Deniz Yücel zu kurieren und als würden solche gestandenen Figuren des Literaturbetriebs wie Eva Menasse, Elke Schmitter, Hinrich Schmidt-Henkel, Helge Malchow, Simone Buchholz, Herbert Wiesner und viele andere im neuen PEN nur als Randfiguren auftreten.« LINK

Tagesspiegel, Beitrag von Ralf Bönt, 19. Juni 2022: »Das Problem des PEN in Darmstadt war letztlich nicht, dass er mit Yücel einen Präsidenten gewählt hatte, der als Prince Boateng der Literatur gilt, genial, erratisch und hungrig. Es war auch nicht das Problem, dass sich Christoph Nix aufgeführt hat, als sei er vom Theater. Er ist ja vom Theater. Ernster war der Brief von fünf Altpräsidentinnen, die Yücels Rücktritt forderten, weil er die Ukraine verteidigt sehen möchte.« LINK [€]

Frankfurter Allgemeine, Beitrag von Eva Menasse, 20. Juni 2022: »[Deniz Yücel] ist manchmal laut und polemisch, beides schadet dem typisch deutschen Umgangston nicht, der seine Gemeinheiten lieber wohltemperiert platziert. Er will sie wirklich, die schlagkräftige NGO, die verfolgten Kolleginnen effizient hilft. Aber jetzt, gelöst von den skurrilen alten Darmstädter Fesseln, sind beeindruckend viele, gerade auch jüngere da, die sich mit ihm engagieren wollen. 65 Prozent der Gründungsmitglieder waren noch nie in einem PEN, mehr als ein Drittel stammt aus dem alten.« LINK [€] und PDF

Zeit-Online, Kommentar von Robin Detje, 21. Juni 2022: »Ein sanfteres, vielleicht auch von größerem politischen Bewusstsein getragenes Vorgehen würde es natürlich auch schwieriger machen, sich selbst als Sieger im heldenhaften Streit zu inszenieren. Das wäre das Ende des Mitspielens im temperamentsdarwinistischen Arm der Aufmerksamkeitsökonomie, die auf Diskursherrschaft aus ist.« LINK

Tagesspiegel, Interview von Yulia Valova mit Andrej Kurkow (Präsident PEN Ukraine), 21. Juni 2022: »Ich kenne Deniz Yücel gut, der auch deshalb zurücktreten musste, weil die PEN-Mitglieder über ihre Unterstützung für die Ukraine geteilter Meinung waren. Die verbliebenen Schriftsteller des alten PEN sind gegen eine radikale Unterstützung der Ukraine und teilen die Position des Bundestages.« LINK

Die Zeit Nr. 26/22, Kommentar von Iris Radisch, 23. Juni 2022: »Zwei deutsche PEN-Clubs gab es zuletzt nach der deutschen Teilung. Die Wiedervereinigung des westdeutschen und des ostdeutschen PEN in den Neunzigerjahren war eine ziemlich lähmende und schmerzhafte Angelegenheit. Alle waren froh, als es nach endlosem Streit endlich geschafft war. Jetzt reißt man den PEN (…) wieder auseinander, diesmal freiwillig und ohne ernsthafte Not.« LINK

Die Zeit Nr. 26/22, Kolumne von Maxim Biller, 23. Juni 2022: »Das erste Mal hat mich Deniz wegen der PEN-Sache im März angerufen, glaube ich. (…) ›Ehrlich gesagt‹, sagte ich, ›unterdrückte Schriftsteller in Afrika interessieren mich nicht besonders‹.« LINK [€]

taz, Beitrag von Ralf Sotscheck, 28. Juni 2022: »Ich zahlte meinen Beitrag, 160 Euro im Jahr, und war ansonsten eine Karteileiche – wie rund 600 der 770 Mitglieder auch. Das lag vor allem an den sonstigen Aktivitäten des PEN, die Einladungen zu Versammlungen erschienen so attraktiv wie eine Debatte unter Briefmarkenzüchtern. Selbst die Veranstaltungen mit den Exilautoren waren so lieb- und fantasielos organisiert, dass meist nur ein paar Zuschauer auftauchten. Man konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es sich lediglich um eine Pflichtaufgabe handelte, um die öffentlichen Mittel, mehr als 600.000 Euro im Jahr, zu rechtfertigen.« LINK

Tagesspiegel, Beitrag von Gerrit Bartels, 29. Juni 2022: »Es wirkt, als würde es jetzt einen Wettlauf des Protests geben; als würde die eine deutsche Schriftstellervereinigung vorlegen, die andere nachziehen; doch ist es natürlich der Job eines PEN-Clubs, in Fällen wie denen von Assange oder Dangarembga zu protestieren. (…) Das bedarf der Gewöhnung, entbehrt – bei aller Ernsthaftigkeit und Unabdingbarkeit des Einsatzes für verfolgte Autorinnen und Autoren – nicht einer gewissen Komik, potenziert aber womöglich die Aufmerksamkeit für jene Vorgänge, gegen welche die PENs protestieren.« LINK

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