Pressemitteilung vom 5. April 2025
Omri Boehm in der Gendenkstätte Buchenwald: Ausladeritis, die nächste

Der israelische Philosoph Omri Boehm, Träger des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung 2024 und Mitglied des PEN Berlin, hätte morgen bei der zentralen Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora eine Rede halten sollen. Eingeladen hatte ihn die Gedenkstätte laut Stiftungsdirektor Jens-Christian Wagner, weil »wir von ihm auf einem hohen Reflexionsniveau ethisch fundierte Gedanken zum Verhältnis von Geschichte und Erinnerung, insbesondere zum Wert der universellen Menschenrechte und ihrer Bedeutung mit Blick auf die NS-Verbrechen, erwarten können.«
Etwas grundsätzlich Anderes schien der israelische Botschafter in Berlin Ron Prosor erwartet zu haben: »Wo Omri Boehm auftritt, hinterlässt er zerbrochenes Porzellan. Die Idee von Stiftungsdirektor Jens-Christian Wagner, ausgerechnet ihm eine Bühne zu 80. Gedenken des Konzentrationslagers Buchenwald zu bieten, war aberwitzig.«
»Aberwitzig« ist nicht der schlechteste Begriff, um den Gesamtvorgang zu beschreiben. Aus Sicht von PEN Berlin wäre Omri Boehm ein höchst geeigneter Redner für die Gedenkveranstaltung gewesen. Nun ist es dem Botschafter Israels in Deutschland unbenommen, dies anders zu sehen. Es zeugt jedoch von einem eigenwilligen Amtsverständnis, wenn Ron Prosor sich als eine Art Schiedsrichter der deutschen Erinnerungskultur zu verstehen scheint, der, wie er per dpa verlautbaren ließ, »stolz« darauf sei, Formen des Holocaust-Gedenkens, die ihm bzw. der Regierung Netanjahu nicht in den Kram passen, »die rote Karte zu zeigen«. Selbstverständlich »einem Gedenken an die Shoa, das das Leid der Überlebenden relativiert oder den Staat Israel in Frage stellt«. Dergleichen wolle er verhindern – auch im Namen derjenigen, »die ihre Stimme nicht mehr erheben können«.
Muss man an dieser Stelle wirklich darauf hinweisen, dass Omri Boehm selbst Enkel einer Holocaust-Überlebenden ist? Wer ist Ron Prosor, einem anderen jüdischen Israeli abzusprechen, dass auch er im Namen derjenigen spricht, »die ihre Stimme nicht mehr erheben können«? Auf diejenigen, die ihre Stimme erheben können, weil sie den mörderischen Terror der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora überlebt haben, beruft sich Jens-Christian Wagner, um zu begründen, warum er die Einladung an Omri Boehm zurückgezogen hat. Die Gedenkstätte habe verhindern wollen, dass »die vielfach seelisch verletzten Überlebenden […] instrumentalisiert und noch weiter in diesen Konflikt [mit Vertretern der israelischen Regierung] hineingezogen« würden, heißt es in einem offiziellen Statement.
In seiner über dpa verbreiteten Erklärung wirft Ron Prosor Jens-Christian Wagner »Feigheit« vor, weil dieser sich »hinter Shoa-Überlebenden versteckt, um seine persönliche Entscheidung zu rechtfertigen«. Spontan mag man Prosor in diesem Punkt zustimmen. Aber war es nicht Prosor, der Holocaust-Überlebende instrumentalisiert hat, um Stimmung gegen den bei der Regierung Netanjahu missliebigen Omri Boehm zu machen?
Zu der Ausladung Omri Boehms sagt PEN Berlin Sprecherin Thea Dorn: »Der Leitspruch der Gedenkstätte Buchenwald lautet »Geschichte begreifen – für die Zukunft lernen«. Ich bezweifle, dass man etwas für die Zukunft gelernt hat, wenn man, wie jetzt geschehen, seine eigenen Überzeugungen verrät und dem Druck nachgibt, den der Vertreter einer Regierung ausübt, die autokratische Züge trägt. Vieles spricht dafür, dass die Bestrebungen, Meinungs-, Presse-, Kunst- und Wissenschaftsfreiheit einzuschränken, vielerorts weiter zunehmen werden. Institutionen, die sich dem Schutz dieser Freiheiten verschrieben haben, werden lernen müssen, diesem Druck besser standzuhalten als zuletzt.«
PEN Berlin fordert Jens-Christian Wagner und die Gedenkstätte Buchenwald auf, ihre Ankündigung, man werde Omri Boehm die Gelegenheit geben, seine geplante Rede zu einem anderen Zeitpunkt zu halten, baldestmöglich zu realisieren.
PEN Berlin. Wir stehen im Wort.