Zum Angriff auf Joe Chialo: Hier gibt es nichts zu diskutieren
PEN Berlin verurteilt die Attacke auf das Haus des Berliner Kultursenators. Nach dem tätlichen und verbalen Angriff auf Joe Chialo bei der Eröffnung eines Kulturfestivals vergangene Woche bedeutet diese Verletzung seiner Privatsphäre eine weitere Eskalation. Inakzeptabel sind nicht nur diese gewalttätigen Übergriffe, inakzeptabel ist auch der mit blutroter Farbe an die Hauswand gesprühte Vorwurf, Chialo würde einen »Genozid« unterstützen.
Im Rahmen des Bücherfests diskutierte der Kultursenator im Juni auf einer Veranstaltung des PEN Berlin u.a. mit dessen Sprecher Deniz Yücel. Dieser übte dabei einmal mehr deutliche Kritik an der »Antisemitismus-Klausel«, die Chialo Ende vorigen Jahres eingeführt und nach der Kritik von Kulturschaffenden und Verfassungsrechtlern wieder zurückgezogen hatte. Auch gegenüber Versuchen, eine solche Klausel in veränderter Form vorzulegen, zeigte sich Yücel skeptisch. Der Meinungsunterschied wurde respektvoll mit Argumenten ausgetragen. Fäuste und Farbbeutel sind keine Argumente – und infame Verleumdung ist es auch nicht.
»Ich halte Joe Chialos Bestreben, effektiv gegen Antisemitismus vorzugehen, für ehrenwert, wenngleich ich nicht immer seine Vorschläge und seine Lagebeurteilung teile«, sagte Yücel. »Aber ich schätze seine Bereitschaft, sich der Kritik zu stellen und im Gespräch mit Kulturschaffenden nach Lösungen zu suchen.«
Zugleich warnte Yücel davor, die Angriffe als Zeichen eines ausgewiesenen Juden- und Israelhasses im deutschen Kulturbetrieb zu interpretieren, solange die Polizei keine Tatverdächtigen ermittelt hat:
»Offensichtlich ist der Kultursenator durch sein Engagement gegen Antisemitismus zur Hassfigur einer bestimmten Szene geworden. Aber beim jetzigen Kenntnisstand spricht viel mehr dafür, die Täter in studentischen, sogenannten pro-palästinensischen Kreisen zu vermuten als unter deutschen Kulturschaffenden, bei denen die antiisraelische BDS-Bewegung kaum eine Rolle spielt und die sich – anders, als häufig behauptet – in Sachen Israel und Palästina einer einseitigen Betrachtung in aller Regel entziehen.«
Und noch mal: Wir streiten gerne mit Joe Chialo, welche Mittel bei der Bekämpfung des Antisemitismus angemessen und wirkungsvoll sind und sich mit dem Grundgesetz, der Kunstfreiheit und dem Ideal der Weltoffenheit vereinbaren lassen – und wie man in diese Diskussion auch die moderaten palästinensischen Stimmen einbeziehen kann und vermeidet, jede Kritik an der Netanjahu-Regierung unter Verdacht zu stellen.
Aber wenn Joe Chialo tätlich angegriffen wird, wenn sogar seine Familie in Mitleidenschaft gezogen wird, dann gibt es nichts zu diskutieren. Dann stehen wir an seiner Seite.
PEN Berlin. Wir stehen im Wort.