Offener Brief von Mitgliedern des PEN Berlin
Wir bleiben
Was gerade im PEN Berlin passiert, ist ein direktes Abbild der gesellschaftlichen Zerrüttung. Aus Verzweiflung über den Zustand der Welt versinken vernünftige und kluge Menschen im »Narzissmus der kleinen Differenzen« (Sigmund Freud). Da weder die eine noch die andere Seite, die sich in Deutschland zu Unterstützern der Konfliktparteien in Nahost formiert haben, auf diesen schrecklichen Krieg irgendeinen Einfluss hat, trägt man ihn im Klein-Klein der Vereinsarbeit aus.
Nach ausführlicher zweimaliger Diskussion wurde eine Resolution mit einer (!) Stimme Überhang demokratisch verabschiedet; der andere, so knapp unterlegene Antrag unterschied sich nur in – heiß umkämpften – Details. Der gigantische Wirbel, der sich daran entzündet hat, ist Außenstehenden längst nicht mehr zu vermitteln.
Die meisten Unterstützer der unterlegenen Anträge akzeptieren das demokratische Ergebnis. Doch eine nennenswerte Zahl von Mitgliedern tritt nun aus, oft genug öffentlich. Manche, weil der beschlossene Text zu »propalästinensisch«, andere, weil er zu »proisraelisch« sei. Das könnte doch als Beweis dienen, dass ein Kompromiss gefunden wurde. Der israelische Philosoph Avishai Margalit sagt: »Ein guter Kompromiss teilt das Trennende auf.« Das bedeutet: Er muss einem auch selbst weh tun, sonst ist es keiner.
Die öffentlich ausgetragenen Wortgefechte und Meinungskriege – angesichts des massenhaften Tötens und Sterbens in vielen Teilen der Welt zumindest fragwürdig – sind allerdings geeignet, diesem jungen Verein, in dem unglaublich viel ehrenamtliche Arbeit steckt, Schaden zuzufügen. Wir erinnern daher daran, wozu er gegründet wurde: Als Menschenrechtsorganisation zum Schutz verfolgter Kolleg:innen einerseits, als maximal offene Plattform für die vielen Debatten andererseits, die uns allen auf den Nägeln brennen. In nur zweieinhalb Jahren ist hier vieles gelungen, auch wenn natürlich, wie überall, Fehler gemacht worden sind.
Dieses Anpacken, das Irren und Gelingen, das Machen jenseits des bloßen Meinens ist, was wir weiterhin kritisch begleiten wollen. Den Kolleginnen und Kollegen im Board von PEN Berlin, die sich täglich darum im aufreibenden Ehrenamt bemühen, sprechen wir unser Vertrauen und unsere Unterstützung aus.
Auf der richtigen Seite zu stehen bedeutet für uns, immer wieder aufs Neue zu versuchen, Gräben zu überwinden und Kompromisse zu finden sowie die Verantwortung für die exilierten Kolleg:innen nicht aus den Augen zu verlieren. Von allem anderen haben wir genug.
Doris Akrap, Klaus Anders, Stephan Anpalagan, Imran Ayata, Ingrid Bachér, Bettina Baltschev, Zoë Beck, Christian Berkel, Aron Boks, Nora Bossong, Simone Buchholz, Heinz Bude, Alexandru Bulucz, Rafael Cardoso, Saba-Nur Cheema, Daniel Cohn-Bendit, Carlos Collado Seidel, Ankalina Dahlem, Christoph Danne, Franz Dobler, Marie Eisenmann, Hartmut El Kurdi, Isabel Fargo Cole, Ulrich Faure, Jan Feddersen, Svenja Flasspöhler, Olga Flor, Michel Friedman, Katja Gloger, Alexander Graeff, Claudia Hamm, Wolfgang Hegewald, Alban Nikolai Herbst, Gabriel Herlich, Elisabeth Herrmann, Konrad Hirsch, Patricia Holland-Moritz, Ulrich Hub, Nancy Hünger, Wolf Iro, Peter-Stephan Jungk, Wladimir Kaminer, Melanie Katz, Johannes Kram, Daniel Kehlmann, Stefan Klein, Ursula Krechel, Birgit Kreipe, Jan Kuhlbrodt, Corinna Kulenkamp, Fitzgerald Kusz, Tamara Labas, Else Laudan, Anton G. Leitner, Bernd Leukert, Werner Löcher-Lawrence, Lucia Lucia, Kristof Magnusson, Karen Margolis, Aurélie Maurin, Dilek Mayatürk, Nikola Anne Mehlhorn, Francesca Melandri, Eva Menasse, Meron Mendel, Bascha Mika, Daniel Morgenroth, Wolfgang Mueller, Ralf Nestmeyer, Romina Nikolic, Michaela Ott, Khue Pham, Katharina Picandet, Julya Rabinowich, Cay Rademacher, Sven Regener, Moritz Rinke, Kathrin Röggla, Jan Röhnert, Judith Schalansky, David Schalko, Judith Schifferle, Hinrich Schmidt-Henkel, Hajo Schumacher, Eberhard Seidel, Eva Sichelschmidt, Annette Simon, Meral Şimşek, Dirk Skiba, Michael Sontheimer, Ralf Sotschek, Jakob Springfeld, Benjamin Stein, Susanne Stephan, Alain Claude Sulzer, Jörg Sundermeier, Anastasia Tikhomirova, Asmus Trautsch, Anja Utler, Jan Wagner, Katrin Weiland, Florian Werner, Herbert Wiesner, Ron Winkler, Ulrich Woelk, Ute Woltron