PM PEN Berlin: Kein Wahrheitsgesetz!

Pressemitteilung vom 1. April 2025

Wer kein Wahrheitsministerium will, sollte auch kein Wahrheitsgesetz schaffen

Wahrheitsgesetz

CDU/CSU und SPD planen Gesetze, die das Grundrecht auf Meinungsfreiheit in unzulässiger Weise einschränken würden. Dies gilt für die Passage des Koalitionspapiers, in der davon die Rede ist, man wolle »Hass und Hetze noch intensiver bekämpfen« und den Straftatbestand der Volksverhetzung verschärfen. Und das gilt für die beabsichtigte Schaffung eines neuen Delikts der »Informationsmanipulation«. Man wolle, so heißt es, gegen die »bewusste Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen« vorgehen.

Die Autorenvereinigung PEN Berlin sieht die Gefahren, die von Volksverhetzung und vorsätzlicher Desinformation ausgehen, und teilt die Sorge um die Zukunft unserer Demokratie, wenn Hass, Hetze und Desinformation mehr und mehr den öffentlichen Raum bestimmen. In der Charta des internationalen PEN heißt es: »Da Freiheit auch persönlicher Verantwortung bedarf, verpflichten sich die Mitglieder, auf wahrheitswidrige Veröffentlichungen, vorsätzliche Fälschungen und Entstellungen von Tatsachen zu verzichten, und dem Missbrauch der Freiheit durch die Presse entgegenzutreten.«

Doch wie man den einschlägigen Statistiken entnehmen kann, zeigen die Strafverfolgungsbehörden seit geraumer Zeit eine bedenkliche Tendenz, die Grenzen dessen, was als Volksverhetzung gewertet wird, immer großzügiger auszulegen. Dazu erklärte PEN-Berlin-Sprecher Deniz Yücel: »Die Freiheit des Wortes umfasst auch die Freiheit des ahnungslosen, bescheuerten, provozierenden, umstürzlerischen, frevlerischen, scheußlichen, geschmacklosen oder dummen Wortes. Die Ausdehnung des Volksverhetzungsvorwurfs und die inflationäre Verwendung der Formel ‚Hass und Hetze‘ haben dem zivilisierten Miteinander nicht genutzt, sondern geschadet.«

Ähnlich verhält es sich mit dem Vorhaben, die Verbreitung falscher Tatsachenbehauptungen unter Strafandrohung zu stellen. Die existierenden Verbote von Beleidigung, übler Nachrede oder Verleumdung sind nach Dafürhalten von PEN Berlin ausreichend, um die Rechte natürlicher und juristischer Personen zu schützen. Aber es ist grotesk zu glauben, die Wahrheit habe vergleichbare Rechtsansprüche, die der Staat durchzusetzen habe.

Wissenschaft und Journalismus können im besten Fall nur Annäherungen an die Wahrheit leisten. Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie sich Dinge, die als unumstößliche wissenschaftliche Tatsachen gehandelt werden, nachträglich als doch nicht so ganz zutreffend erweisen können – so etwa die Aussage, die Impfung werde die Weitergabe des Virus verhindern. Yücel sagte dazu: »Mir ist rätselhaft, wie man nach dieser Erfahrung auf die Idee kommen kann, ein Wahrheitsgesetz zu schaffen.«

Eine Warnung sollte zudem sein, dass sich auch autoritäre Regime wie in Russland, der Türkei oder Ungarn den »Kampf gegen Desinformation und Fake News« auf die Fahnen geschrieben haben. In einer offenen Gesellschaft hingegen ist Wahrheit immer Gegenstand der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, so schmerzlich das manchmal sein mag. »Wer kein Wahrheitsministerium will, sollte auch kein Wahrheitsgesetz schaffen«, so Yücel.

PEN Berlin. Wir stehen im Wort.

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