Der 7. Oktober und die Folgen (November 2023, u.a.: Lesungen »Nie wieder ist jetzt«)
ARD, Titel, Thesen, Temparemente, Bericht von Andreas Lueg und Rayk Wieland, 5. November 2023: »[Deniz Yücel:] Ich habe mich im Fall Shani Louk dafür ausgesprochen, diese Bilder zu verbreiten, damit die Welt sieht, was das für eine Mörderbande ist, diese Hamas. (…) Das hat geholfen, dieser jungen Frau, die das leider nicht überlebt hat, einen Namen zu geben; einen Namen, den heute die Welt kennt. Ohne dieses Video wüssten wir das nicht und sie bliebe ein anonymes Opfer unter 1400.« VIDEO
Tagesspiegel, Bericht von Gregor Dotzauer, 28. Oktober 2023: »Nach dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel nimmt der Krieg im Nahen Osten seinen fatalen Lauf. Wenn die Beschreibung dessen, was ihm über den unmittelbaren Anlass hinaus zugrunde liegt, eine einseitige Parteinahme auch verhindert, so kann von einem rein propalästinensischen Schweigen des deutschen Kulturbetriebs doch keine Rede sein. Auf der Frankfurter Buchmesse organisierte der PEN Berlin eine Diskussion ›In Sorge um Israel‹, ließ es sich aber auch nicht nehmen, eine Lesung aus Adania Shiblis Roman ›Eine Nebensache‹ zu veranstalten.« LINK
DLF Kultur, Fazit, Marietta Schwarz im Gespräch mit Deniz Yücel, 29. Oktober 2023: »Zur Demokratie oder zur Meinungsfreiheit gehört auch das Recht, die Klappe zu halten. Einen Bekenntniszwang gibt es nur in totalitären Regimen; da muss man mitsingen und mitschunkeln und mitbeten. (…) Wenn Sie diesen Brief im Sinn haben, den einige Dutzend Schriftstellerinnen und Schriftsteller unterschrieben haben, adressiert an den Literaturbetrieb – ich habe den mit Verwunderung zur Kenntnis genommen (…) Alle Unterzeichner sind ein namhafter Teil dieses Literaturbetriebs. Und ich finde es ein bisschen einfach zu sagen: ›Du schweigst‹. Nee, wenn du ein Problem hast, wenn dir etwas missfällt, ist es erstmal deine Aufgabe, etwas zu unternehmen.« LINK und AUDIO
Süddeutsche Zeitung, Bericht von Cornelius Pollmer und Marie Schmidt, 30. Oktober 2023: »Es ist nicht so, dass der Literaturbetrieb bislang gar nicht auf die Terrorangriffe der Hamas auf Israel am 7. Oktober reagiert hatte. So deutlich eine allgemeine Schwere über der Buchmesse in Frankfurt lag, so sehr gab es ebendort auch Versuche, für diese Schwere eine Sprache zu finden – etwa bei einem Panel des PEN Berlin zum Auftakt der Messe, bei dem Meron Mendel mit den Autoren Tomer Dotan-Dreyfus und Doron Rabinovici unter dem Titel ›In Sorge um Israel‹ zusammen kam. Und doch fand sich ein eindrucksvolles Ensemble von Unterzeichnenden unter dem offenen Brief ein, den die Schriftsteller Björn Kuhligk und Marcus Roloff in der vergangenen Woche unter der Überschrift ›Literaturbetrieb, jetzt!‹ veröffentlichten. Darin wird beklagt, nach den Terrorangriffen der Hamas vom 7. Oktober verharre der Literaturbetrieb ›in einem an Bräsigkeit nicht zu überbietenden Schweigen‹.« LINK
Spiegel Nr. 45/23, Bericht von Wolfgang Höbel u.a., 2. November 2023: »Und in Deutschland? Herrscht eine eigentümliche Kopflosigkeit in den Kulturinstitutionen. Nicht überall. Der Schriftstellerverband PEN Berlin organisierte im Rahmen der Buchmesse eine Diskussionsveranstaltung, die Feuilletons der deutschen Zeitungen sind voller jüdischer Stimmen. Palästinensische gibt es fast keine, auch das gehört zur Geschichte. Und die weltberühmte Berliner Clubszene etwa schweigt. Dabei hätte sie durchaus Grund, der mindestens 260 toten Technotänzerinnen und -tänzer zu gedenken, die auf dem Supernova-Rave in der Nähe des Kibbuz Re’im ermordet wurden.« LINK [€]
Zeit-Online, Podcast Das Politikteil, Heinrich Wefing und Peter Dausend im Gespräch mit Eva Menasse, 3. November 2023: [Dausend]: »Nicht jeder unserer Hörerinnen und Hörer wird wissen, dass Sie einen jüdischen Vater haben und eine katholische Mutter (…) Wie geht es Ihnen persönlich mit dieser Bedrohung? (…)« – [Menasse]: »(…) Wir haben als PEN Berlin bei der Frankfurter Buchmesse ein Panel organisiert, gleich zu Anfang, das war das erste Panel am Mittwoch der Buchmesse. Das hieß ›In Sorge um Israel‹. Und wir hatten die Schriftsteller Doron Rabinovici und Tomer Dotan-Dreyfus und Meron Mendel, den Historiker, auf der Bühne. Auch ihnen wurde diese Frage gestellt. Doron hat die Antwort gegeben: ›Man fühlt sich immer unbehaglich als Jude, mal mehr, mal weniger. Aber mit Blick auf Israel ist es gar nicht moralisch gestattet, Angst zu haben.‹ Das ist seine persönliche Antwort gewesen, und die würde ich für mich auch geben. Mein Vater hat mir mit Nachdruck vermittelt, obwohl er das nie so gesagt hat, dass wir kein Recht haben, uns vor irgendetwas zu fürchten. Denn nichts ist vergleichbar mit dem, was im Holocaust geschehen ist.« LINK
Buchmarkt.de, Interview von Thilo Schmid mit Björn Kuhligk, 5. November 2023: »Zudem hat der PEN Berlin eine Veranstaltung mit Autor:innen organisiert, die Texte von Autor:innen lesen werden, die nicht mehr leben. Die Lesung heißt ›Nie wieder ist jetzt – Texte gegen Antisemitismus‹. PEN Berlin und Deutsches Theater haben es fertiggebracht, in der Ankündigung kein einziges Mal das Wort ›Israel‹ zu verwenden. Ansonsten wird weiter geschwiegen. LINK
Berliner Zeitung, Bericht, 7. November 2023: »›Der Antisemitismus ist kein jüdisches Problem, er ist unser Problem‹, schrieb Jean-Paul Sartre 1946, und der PEN Berlin nimmt diesen Satz zum Motto. Es könne nichtjüdischen Deutschen, gleich welcher Herkunft, nicht egal sein, wenn antisemitische Gewalt auch in Deutschland wieder rasant zunimmt, heißt es in der Ankündigung. ›Es darf niemanden kaltlassen, wenn Jüdinnen und Juden in Deutschland sich abermals bang zu fragen beginnen, wohin der Hass noch führen wird. Wo sie nicht sicher und frei von Angst leben können, kann bald niemand mehr frei leben.‹« LINK
Falter Nr. 46/2023, Interview von Tessa Szyszkowitz mit Eva Menasse, 14. November 2023: »Die Debatte um Nahost ist ein gutes Beispiel für unsere Überflutung mit Informationen, Desinformationen, Handlungsanweisungen und Erwartungen – dem täglichen Druck, die Welt verändern zu müssen. Das ist psychisch schwer auszuhalten. Es kursieren offene Briefe, jeden Tag drei Stück, ist mein Gefühl, wo Dutzende berühmte Menschen unterschreiben. Es ist aber eine Illusion, zu glauben, mit offenen Briefen hätte man schon etwas gemacht.« LINK [€]
ZDF, Maybrit Illner, Thema »Krieg in Nahost: Immer mehr Judenhass in Deutschland?« mit Malu Dreyer, Stephan Kramer, Ricarda Lang, Jens Spahn und Deniz Yücel, 16. November 2023: [Yücel:] »Zum Thema: Existenzrecht Israels bestreiten strafrechtlich zu verfolgen. Ich persönlich bin davon überzeugt: Wer über den Hass auf Israel nicht reden möchte, der möge auch über den Antisemitismus schweigen. Weil der Antisemitismus nach Auschwitz neue Formen angenommen hat und in der antisemitischen Verschwörungserzählung Israel eine ähnliche Rolle einnimmt als ›Gegenstaat‹, wie es Adorno mal formuliert hat: Die Juden als ›Gegenrasse‹. Aber es gilt auch das Prinzip: Wir verteidigen die offene Gesellschaft und den Rechtsstaat nicht, indem wir die offene Gesellschaft und den Rechtsstaat abschaffen. Und es gibt Meinungen, die man aushalten muss und die keinen Straftatbestand darstellen. (…) Und wo es dann einen Widerspruch gibt: In Deutschland wäre es eindeutig ein Straftatbestand zu sagen: ›Kauft nicht bei Juden!‹ Wer sagt das heute? Das sagt heute der Präsident der türkischen Religionsbehörde Diyanet, Ali Erbas. Sein Chef: Tayyip Erdogan. Wer empfängt den morgen? Unser Bundeskanzler Olaf Scholz. Und da stimmt etwas nicht.« VIDEO (AUSSCHNITTE) und LINK (GANZE SENDUNG)
Zeit-Online, Interview von Tobias Timm und Annabel Wahba mit Claudia Roth, 16. November 2023: »Es ist für viele Kulturinstitutionen im Moment eine Herausforderung, wie sie mit der gegenwärtigen Situation umgehen sollen, umgehen können. Ich hatte dazu diese Woche einen intensiven Austausch mit über 100 Kulturinstitutionen, die von uns gefördert werden oder eng mit uns zusammenarbeiten. Es gibt auch schon Beispiele, wie es gehen kann: Der PEN Berlin hat auf der Frankfurter Buchmesse ein sehr gutes Panel mit jüdischen Autorinnen und Autoren und Intellektuellen veranstaltet, außerdem eine Lesung aus dem Buch von Adania Shibli und eine Diskussion dazu organisiert. Die Barenboim-Said-Akademie zeigt mit ihrer wichtigen Arbeit tagtäglich, wie man dem begegnen kann.« LINK
ARD, Titel, Thesen, Temparemente, Bericht von Max Burk und Gespräch mit Eva Menasse, 20. November 2023: »Wer hat wie schnell ›Aber‹ gesagt? Wer hat viel zu früh ›Kontext‹ gesagt? Es genügen Satzfetzen, um zu wissen, dass der andere mein Gegner ist. Das ist, glaube ich, eines der giftigen Elemente in allen Debatten. Aber da die Antisemitismus-, Israel- und Nahostdebatte so besonders schmerzhaft ist in diesem Land, ist es an der Stelle noch schlimmer. (…) Ich glaube, es wird jedem das Schlimmste angedichtet und angehängt. Und gleichzeitig hat man eine wahnsinnige Angst, dass man eigentlich gar nicht mehr irgendwas sagen darf. Das ist ja auch die Angst von politisch unverdächtigen Menschen: dass sie das Gefühl haben, dass bestimmte Diskurse solche Minenfelder geworden sind, dass es gar nicht mehr geht. Dass Kommunikation nicht mehr stattfinden kann. Und das ist schlecht für die Gesellschaft. VIDEO
Artechock, Beitrag von Rüdiger Suchsland, 23. November 2023: »Der Spiegel beschreibt das dröhnende Schweigen und ›die Angst, etwas falsch zu machen‹ in der Kulturszene. (…) Ein paar Beispiele dafür, wie es auch geht: PEN Berlin, im Oktober. Deniz Yücel begrüßt zur Lesung von Adania Shibli: ›Was fehlt, sind palästinische Stimmen, (…) die Wortführerschaft nicht den, ob religiösen oder säkularen Radikalen auf der Straße überlassen.‹ PEN Berlin, im November. Deniz Yücel hält eine Rede auf der Hamburger Gedenkveranstaltung zum 85. Jahrestag der Reichspogromnacht, in der er unmissverständlich klarmacht, dass Israelhass und Antisemitismus nicht zu trennen sind. Yücel, der Einwandererdeutsche, benennt unverblümt, was viele ›Biodeutsche‹ nicht hören oder anerkennen wollen: ›die verstörenden Reaktionen auf den Massenmord der Hamas vom 7. Oktober sowie die Halb- und Nicht- und Ja-Aber-Reaktionen aus Teilen der Einwanderercommunitys haben vor Augen geführt, dass es hier noch Klärungsbedarf gibt‹.« LINK
Jungle World Nr. 48/23, Beitrag von Stefan Laurin, 30. November 2023: »Der Autorenverband PEN Berlin organisierte über einen Monat nach den Angriffen der Hamas eine Lesung im Deutschen Theater, und nach und nach meldeten sich Filmemacher und Autoren zu Wort, die sich auf die Seite Israels stellten. Doch von den Granden der deutschen Kulturszene, die sich 2020 mit dem Aufruf ›GG 5.3 Weltoffenheit‹ gegen den BDS-Beschluss des Bundestags gestellt und somit die Debatte weg von der Kritik an Antisemitismus hin zur Normalisierung des Israel-Boykotts verschieben wollten, zogen nur zwei ihre Unterschrift nach den Massakern der Hamas zurück.« LINK
Debatte um Verleihung des Peter-Weiss-Preises an Sharon Dodua Otoo
WDR-Bericht, 29. November 2023: »Die Schriftstellervereinigung PEN Berlin kritisiert die Entscheidung der Stadt Bochum, die Verleihung des Peter-Weiss-Preises an die britisch-deutsche Autorin Sharon Dodua Otoo auszusetzen. Otoo werde vorgeworfen, Petitionen unterschrieben zu haben, die die Befreiung Palästinas ›mit allen Mitteln‹ verlangten – und somit die Massaker der Hamas in Israel befürworteten. Nach Angaben von PEN Berlin enthält jedoch keiner der Aufrufe diese Formulierung. PEN-Berlin-Sprecherin Eva Menasse sagte, es müsse unterschieden werden ›zwischen dem Autor und seinen politischen Überzeugungen einerseits und einer preiswürdigen künstlerischen Leistung andererseits‹. ›Gesinnungsschnüffelei auf Unterschriftenlisten‹ untergrabe die Rede- und Kunstfreiheit.« LINK
Tagesspiegel, Kommentar von Nicola Kuhn, 29. November 2023: »In der aufgeheizten Stimmung meldet sich nun auch der PEN Berlin zu Wort. Dessen Sprecherin Eva Menasse erklärte, dass der Ansatz von BDS zwar falsch und mit den Werten des PEN nicht vereinbar sei, aber nicht gegen seine Anhänger verwendet werden dürfe. Hintergrund ist die Aussetzung des Bochumer Peter-Weiss-Preises an die Schriftstellerin Sharon Dodua Otoo, die ein entsprechendes Statement unterschrieben hatte.« LINK
taz, Kommentar von Dirk Knipphals, 29. November 2023: »Großen Respekt für Sharon Dodua Otoo. In die Debatte hinein, ob ihr der Peter-Weiss-Preis zuerkannt werden kann, hat sich die deutsch-britische Autorin selbst überzeugend zu Wort gemeldet. (…) In einem Statement, das auch der taz vorliegt, schreibt Otoo nun: ›Als ich ca. 2015 die Petition von Artists for Palestine UK unterschrieben habe, habe ich mich als Individuum solidarisch mit dem gewaltlosen Widerstand Kulturschaffender in Palästina positionieren wollen. […] Ich würde einen solchen Aufruf heute nicht mehr unterzeichnen. Daher distanziere ich mich heute von der Petition und bemühe mich mit anwaltlicher Unterstützung meinen Namen von der Liste zu entfernen.‹« LINK
Tagesspiegel, Kommentar von Gerrit Bartels, 30. November 2023: »Von ›Rufschädigung‹ spricht Menasse, wenn Autorinnen wie Otoo (oder in der Vergangenheit Kamilla Shamsie oder Peter Handke), einmal zugesprochene Preise wieder aberkannt würden. Denn: ›Zwischen dem Autor und seinen politischen Überzeugungen einerseits und einer preiswürdigen künstlerischen Leistung andererseits muss weiterhin unterschieden werden.‹ Ob Menasse das wirklich ernst meint, das ihre Meinung ist? Viele Autoren und Autorinnen, erst recht Künstler und Künstlerinnen, verstehen sich als politisch, und damit auch ihre Bücher, ihre Kunst. Diese sind durchdrungen von ihrem Leben, ihren Überzeugungen. (…) Auch Autofiktion muss man können, nur halt nicht mehr so trennscharf, wie Menasse sich das vorstellt.« LINK
Rheinische Post, Kommentar von Lothar Schröder, 2. Dezember 2023: »Zur Ehrung wird es im sogenannten Fall von Dodua Otoo nicht kommen. Sie wird den Preis nicht annehmen, da sie ›weder die Jury, noch die Stadt Bochum noch den Namen von Peter Weiss mit den Vorwürfen gegen mich und die ausgelöste Debatte in Verbindung wissen‹ möchte. Das Preisgeld solle vielmehr einer gemeinnützigen Organisation gestiftet werden. Die Schriftstellerin und PEN-Berlin-Sprecherin Eva Menasse halte die Aussetzung des Preises an Otoo für ›nicht gerechtfertigt‹, schrieb sie. Aber was soll’s? Mit der verhinderten Preisverleihung wurde erneut einer jener Räume des Austausches geschlossen, den sich Dodua Otoo für Verständnis und Verständigung gewünscht hatte.« LINK
taz, Kommentar von Dirk Knipphals, 2. Dezember 2023: »Ziemlich zeitgleich mit dem Statement, mit dem Sharon Dodua Otoo am Mittwoch auf die Aussetzung des Peter-Weiss-Preises reagierte, bekamen die Literaturredaktionen eine Mail vom PEN Berlin. In dem Statement distanzierte sich Otoo souverän von der Gruppierung Artists for Palestine, die sie unterstützt hatte. (…) Die Mail vom PEN Berlin war dagegen schwierig. Eva Menasse, die Sprecherin, meinte die deutschen kulturellen Institutionen an ihre ›Sorgfaltspflicht gegenüber anerkannten Künstler:innen‹ erinnern zu müssen und wandte sich gegen ›Gesinnungsschnüffelei auf Unterschriftenlisten‹.« LINK
Ruhrbarone, Kommentar von Stefan Laurin, 3. Dezember 2023: »In der Folge wurden gegen dieses Blog und gegen alle anderen, die in der Vergangenheit Beiträge über das Verhältnis von Künstlern zu antisemitischen Kampagnen veröffentlicht haben, verschiedene Vorwürfe erhoben. Die Schriftstellerin Eva Menasse schrieb in ihrer Funktion als Sprecherin des PEN Berlin, indem auch der Autor Mitglied ist: ›Die Gesinnungsschnüffelei auf Unterschriftenlisten untergräbt die Rede- und Kunstfreiheit und macht weder den Staat Israel noch die in Deutschland lebenden Juden sicherer.‹ (…) Menasses und Hauensteins Äußerungen sind unbeholfene Versuche, journalistische Recherche in die Nähe geheimdienstlicher Arbeit zu rücken.« LINK
Zum Rücktritt von Regula Venske als Generalsekretärin von PEN International
Zeit-Online, Bericht, 20. November 2023: »Die Schriftstellerin Regula Venske ist als Generalsekretärin der internationalen Autorenvereinigung PEN zurückgetreten. Der Schritt erfolge aus Protest gegen Stellungnahmen des internationalen Verbands zum Krieg im Nahen Osten, teilte das PEN-Zentrum Deutschland in Darmstadt mit. Die 68-Jährige habe PEN-Präsident Burhan Sönmez gebeten, sie ›mit sofortiger Wirkung‹ von ihren Aufgaben als Generalsekretärin zu entbinden. Am 10. Oktober – nur wenige Tage nach dem Angriff der Hamas-Terroristen auf Israel – veröffentlichte der internationale PEN eine Erklärung. (…) Venske sagte hierzu, dass sie die Aussendung seitens des Londoner PEN-Sekretariats ›mit Entsetzen‹ gelesen habe. Deren ›Mangel an Empathie für die israelischen Opfer des Hamas-Massakers vom 7. Oktober‹ habe sie ›zutiefst schockiert und deprimiert‹.« LINK
Süddeutsche Zeitung, Fazit, Elena Gorgis im Gespräch mit José Oliver (Präsident PEN Darmstadt), 20. November 2023: »Ich habe großen Respekt vor der Haltung von Regula Venske. (…) Es geht nicht mehr nur um diese Pressemitteilung – die für mich auch unsäglich war, weil sie eben nicht Hamas als Terrororganisation bezeichnet hat, weil sie eben nicht dieses Massaker als Terrorangriff bezeichnet hat (…). Aber was natürlich auch zur Sprache kommen muss: Wie strukturiert ist PEN International? Wie demokratisch laufen solche Prozesse ab wie beispielsweise eine Pressemitteilung? (…) Dass da einfach eine Generalsekräterin übergangen wird in einer Pressemitteilung – ja, das schreit zum Himmel und das hat auch keine Entschuldigung. (…) Ich hatte mit PEN International bisher wenig zu tun. Da war eine Online-Generalversammlung, und ich war da schon entsetzt über die fehlende Demokratie bei manchen Entscheidungen, die getroffen wurden.« LINK und AUDIO
Zum Deutschland-Besuch von Recep Tayyip Erdogan
Neue Zürcher Zeitung, Interview von Marc Felix Serrao mit Deniz Yücel, 17. November 2023: »Ich habe natürlich nicht damit gerechnet, dass der Kanzler meinen Text liest und denkt: Oh Gott, wenn der Yücel das sagt, dann laden wir den Erdogan lieber aus. Aber ich habe schon gehofft, dass aus der Opposition und aus der Zivilgesellschaft mehr Einspruch kommen würde. Mal abgesehen von allem, was man sonst noch über diesen Mann sagen kann: Erdogan tritt seit dem 7. Oktober als globaler Wortführer des Hasses auf Israel auf. Es gab kritische Stimmen aus der deutschen Politik, aber zu wenige.« LINK
Lesungen »Nie wieder ist jetzt« in Berlin und Frankfurt
dpa-Bericht, übernommen u.a. von der Süddeutschen Zeitung, 3. November 2023: »Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller und weitere Persönlichkeiten wollen im Deutschen Theater in Berlin mit Lesungen ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen. Neben Müller sollen am kommenden Freitag unter anderem die Autorin Thea Dorn, der Schauspieler Ulrich Matthes und die Frauenrechtlerin Seyran Ateş auf der Bühne stehen. Sie werden etwa Texte von Hannah Arendt, Jean Améry und Gabriele Tergit lesen. Der von der Autorenvereinigung PEN Berlin organisierte Abend mit dem Titel ›Nie wieder ist jetzt‹ sei kostenlos.« LINK
dpa-Bericht, übernommen u.a. von der Süddeutschen Zeitung, 10. November 2023: »Mit einer gemeinsamen Lesung haben Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller und Schauspieler Ulrich Matthes Position gegen Antisemitismus bezogen. Auf Einladung des PEN Berlin waren sie dazu am Freitagabend unter dem Motto ›Nie wieder ist jetzt!‹ in das Deutsche Theater gekommen.« LINK
RBB Kultur, Der Morgen, Bericht von Leon Ginzel, 11. November 2023: [Ginzel:] »Herta Müller macht den Anfang. Als sie im grauen Sakko die kleine Bühne im Rangfoyer des Deutschen Theaters betritt und sich an den schmalen schwarzen Tisch setzt, sind alle Plätze im Publikum belegt.« (…) [Müller:] »Ich lese Gedichte von Theodor Kramer. Ein österreichischer Jude. Ihm gelang 1939 die Flucht nach England. Er wurde nach dem Exil, wie so viele andere, völlig vergessen.« AUDIO
Berliner Morgenpost, Bericht von Sophie Klieeisen, 11. November 2023: »Wie Arendts Text zu ihrem Deutschlandbesuch 1950, von Thea Dorn glasklar und stichfest vorgetragen, als wäre sie nicht fünf Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs, sondern fünf Tage nach dem 7. Oktober gekommen. Es ist das Attest eines überall vorhandenen ›allgemeinen Gefühlsmangels‹, der mit ›Gefühlsseligkeit kaschiert‹ werde und schnell in die Beschreibung des eigenen Leids falle. ›Die Flucht vor der Wirklichkeit ist natürlich auch eine Flucht vor der Verantwortung‹ Bündiger lässt sich die moralische Lage in Deutschland 2023 kaum fassen. Diese Worte sind nicht zeitlos, weil es Literatur, sondern weil der Hass auf Juden zeitlos ist.« LINK [€]
Frankfurter Allgemeine, Bericht von Katharina Teutsch, 12. November 2023: »Bei der Solidaritätslesung des PEN Berlin ›Nie wieder ist jetzt!‹ stand jetzt beides im Programm: die reale Bedrohungssituation und das Versagen der Intellektuellen, denen Israelkritik dieser Tage oft leichter über die Lippen kommt als die Verdammung terroristischer Gräueltaten an Juden. (…) Juden versteckten heute überall auf der Welt wieder ihre Identität, schrieb die Autorin Nele Pollatschek in einem Text, den die Publizistin Düzen Tekkal vortrug. In dieser Zeit seien auch die Juden in Deutschland ihren Vorfahren näher als je zuvor. ›Zum ersten Mal verstehen wir‹, hieß es, ›warum sie damals nicht gegangen sind. Nicht, weil sie die Gefahr nicht erkannt haben, sondern weil sie nicht wussten, wo sie sicher sein könnten.‹« LINK [€]
Deutsche Welle, Bericht, 10. November 2023: »Auf die Frage, was so ein Abend bewirken kann, antwortete Nora Bossong (…): ›Wenn solche Abende nicht stattfinden würden, dann wäre da eine ziemliche Leere und ein ziemliches Schweigen und das haben wir in der letzten Zeit schon viel zu laut gehört. Ich bin nicht so optimistisch zu glauben, dass solche Abende die antisemitischen Tendenzen, die wir gerade wieder sehr stark zu sehen bekommen, verhindern werden. Aber man muss ja irgendetwas dagegensetzen. Es kann nicht das einzige sein, aber es ist ein kleiner Mosaikstein.‹« LINK
Frankfurter Allgemeine, Bericht von Florian Balke, 20. November 2023: »Nach dem Angriff der Hamas auf Israel und der zögerlichen Solidarität des deutschen Kulturbetriebs hat der PEN Berlin eine Lesung in der Hauptstadt organisiert, die nun, mit leicht veränderter Textauswahl und neun anderen Autoren, in Frankfurt wiederholt wurde. In Zusammenarbeit mit dem Hessischen Literaturforum ging es im bestens gefüllten Theatersaal des Mousonturms um den Blick auf Texte, die dem Antisemitismus kritisch auf den Grund gehen. ›Jeder Angriff auf Juden ist ein Angriff auf die Freiheit aller‹, sagte die Frankfurter Schriftstellerin Anna Yeliz Schentke zur Begrüßung.« LINK [€]
Gedenken zum 85. Jahrestag der Reichspogromnacht
dpa-Bericht, übernommen u.a. von der Welt, 5. November 2023: »Vor 85 Jahren plünderten und zerstörten die Nationalsozialisten die Synagogen in Deutschland. Um ein Zeichen zu setzen, kommen auch Luisa Neubauer und Deniz Yücel zur Gedenkveranstaltung nach Hamburg.« LINK
Welt, Rede von Deniz Yücel auf der Gedenkveranstaltung zum 85. Jahrestag der Reichspogromnacht in Hamburg, Nachdruck, 10. November 2023: »Wer über Israelhass nicht reden will, sollte auch vom Antisemitismus schweigen. (…) Damit es nicht nur bei Symbolpolitik bleibt und da wir hier in Hamburg sind, möchte ich mit einem zweiten konkreten Punkt enden. Luisa Neubauer hat eben ausgeführt, was die Zivilgesellschaft tun kann. Aber es gibt Dinge, die die Zivilgesellschaft nicht tun kann: zum Beispiel diese als Moschee getarnte Vertretung des iranischen Regimes, das Islamische Zentrum, schließen. Frau Staatssekretärin, Sie haben eben gesagt, dass es nicht bei Worten bleiben darf und Taten folgen müssen. Sehr richtig. Darum will ich die Bundesregierung einladen und auffordern: Machen Sie diese als Moschee getarnte Vertretung des Mullah-Regimes, ohne das die Hamas nicht dieser Terrorapparat hätte werden können, der sie heute ist, endlich dicht!« LINK
NDR, Hamburg Journal, Bericht von Christian Becker, 9. November 2023: »Der türkischstämmige Journalist Deniz Yücel appellierte an die islamischen Verbände, sich im eigenen Interesse von den ›dschihadistischen Massenmördern der Hamas‹ zu distanzieren. ›Man kann sich nicht damit rausreden, dass all das nichts mit dem Islam zu tun habe.‹« LINK
Welt, Bericht von Jörn Lauterbach, 10. November 2023: »Großen Applaus für seine engagierte Rede erhielt auch der Welt-Journalist Deniz Yücel, der bei der Veranstaltung in seiner Funktion als PEN-Vorsitzender eingeladen war. Er rief Bundeskanzler Olaf Scholz dazu auf, den für kommende Woche avisierten Besuch des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan abzusetzen. (…). ›Herr Bundeskanzler, es ist alle Anerkennung wert, dass Sie nach dem 7. Oktober das richtige Zeichen gesetzt und als erster ausländischer Politiker Israel besucht haben. Aber ich finde es unerträglich, dass die Bundesregierung kommende Woche einem Staatspräsidenten den roten Teppich ausrollen möchte, der sich zum globalen Wortführer des Hasses auf Israel und der Solidarität mit der Hamas gemacht hat. Empfangen Sie diesen Antisemiten nicht!‹« LINK